Wien/Istanbul – Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat sich für einen EU-weiten Stopp von Waffenlieferungen an Saudi-Arabien ausgesprochen. "Vor allem der schreckliche Krieg im Jemen und die Katar-Krise sollten uns Anlass sein, als Europäische Union gegenüber Saudi-Arabien endlich gemeinsam zu handeln. Wenn wir als gesamte EU Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien stoppen, kann das ein Beitrag zur Beendigung dieser Konflikte sein", so Kneissl in der "Welt".

Die Ministerin betonte gegenüber der deutschen Zeitung auch, dass die Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi "zutiefst erschütternd" und "ein beispielloser Rechtsbruch" sei. "Es ist aber nur der Gipfel des Horrors", bekräftigte sie. Es müsse jetzt eine glaubwürdige und unabhängige Untersuchung des Vorfalls geben.

In den vergangenen zwei Jahren sei es zu einer "massiven Verschlechterung der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien gekommen". Die Zahl der politischen Häftlinge sei stark gestiegen, sagte die Ministerin. "Der von (der deutschen) Bundeskanzlerin (Angela) Merkel angeregte Stopp von Waffenlieferungen wäre jedenfalls das richtige Signal. Österreich hat bereits seit Beginn des Krieges im Jemen im März 2015 und der saudischen Involvierung dort kein Kriegsmaterial mehr an Saudi-Arabien geliefert", so Kneissl.

Deutschland begrüßte Vorschlag

Die deutsche Regierung begrüßte den Vorschlag am Freitag. Auch das Europaparlament hatte sich dafür ausgesprochen. Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez hatte am Donnerstag im Parlament dagegen erklärt, ein Stopp der Lieferungen komme nicht infrage. Frankreich und Großbritannien machten ebenfalls deutlich, sie hätten kein Interesse an einem Embargo.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat einen Stopp von Waffenexporten als "pure Demagogie" bezeichnet. Bevor Konsequenzen gezogen werden, müssten die Fakten ermittelt sein, sagte Macron am Freitag. Wenn man Sanktionen ergreifen wollte, müssten diese alle Bereiche betreffen wie etwa den Verkauf von Autos, oder man müsse individuelle Sanktionen gegen die Verantwortlichen treffen. "Aber es ist pure Demagogie zu sagen, dass man den Verkauf von Waffen stoppen muss. Das hat nichts mit der Khashoggi-Affäre zu tun."

Frankreichs Präsident betonte, er erwarte zunächst, dass die Fakten, die Verantwortlichen und Drahtzieher ermittelt werden, damit dann über Konsequenzen und Sanktionen entschieden werden könne. "Sobald wir die Antworten diesbezüglich haben (...) möchte ich, dass wir klare, kohärente und abgestimmte Sanktionen treffen." Diese müssten dann auch in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Fall Khashoggi stehen.

Großbritannien und die USA haben hingegen Einreisesperren gegen saudi-arabische Staatsbürger im Zusammenhang mit dem Fall Khashoggi verhängt. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in einem Telefonat mit dem saudischen König Salman am Donnerstag, im Lichte der laufenden Entwicklungen des Falles stehe Deutschland bereit, zusammen mit internationalen Partnern "angemessene Maßnahmen" zu ergreifen.

SPÖ kritisiert "widersprüchliche Aussagen" Kneissls

Der außenpolitische Sprecher der SPÖ und designierte Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Europawahl, Andreas Schieder, kritisierte Kneissl für "widersprüchliche Aussagen" hinsichtlich eines EU-weiten Stopps von Waffenlieferungen an Saudi-Arabien. Am Donnerstag im Parlament hätten "die Außenministerin und die Regierungsparteien ÖVP/FPÖ einen EU-weiten Stopp der Waffenlieferungen an Saudi-Arabien noch abgelehnt, heute im Interview befürwortet sie diesen", schrieb Schieder in einer Aussendung.

Im Hohen Haus hatte sich Peter Pilz von der Liste Pilz vehement gegen Waffenexporte nach Saudi-Arabien ausgesprochen – mit Blick auf den blutigen Krieg im Jemen, Menschenrechtsverletzungen und die Ermordung Khashoggis. Kneissl wies hier jede Schuld von sich und betonte, dass die Zuständigkeit in letzter Konsequenz bei anderen Ministerien liege. Ihr Ressort habe jedenfalls auf die Stellvertreterkrieg-Problematik im Zusammenhang mit dem Jemen hingewiesen.

Ein von der Liste Pilz dann eingebrachter Entschließungsantrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, die Bewilligung für Waffenausfuhren nach Saudi-Arabien komplett zu untersagen (auch jene, die nicht unter das Kriegsmateraliengesetz fallen) und sich für ein gesamteuropäisches Waffenembargo gegen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate einzusetzen, fand dann keine Mehrheit. Er wurde nur von SPÖ und Neos, aber nicht von den Regierungsparteien unterstützt.

Erdogan fordert Aufklärung

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fordert indes von Saudi-Arabien Aufklärung über die Auftraggeber am Mord Khashoggis. Zudem müsse offengelegt werden, wo sich seine Leiche befinde, sagte Erdogan am Freitag vor Abgeordneten seiner AK-Partei.

Die Regierung in Riad müsse die Identität des "örtlichen Mitarbeiters" offenlegen, der den Leichnam nach der Tat übernommen habe, verlangte der türkische Präsident. Die Türkei verfüge über mehr Informationen in dem Fall als sie bisher freigegeben habe. Am Sonntag werde sich der zuständige türkische Staatsanwalt mit seinem saudi-arabischenn Amtskollegen in Istanbul treffen. Der Chefankläger Saudi-Arabiens wird am Sonntag in der Türkei erwartet, um sich mit den türkischen Ermittlern auszutauschen.

Rssland glaubt Saudi-Arabien

Russland hat hingegen keinen Zweifel an der Darstellung Saudi-Arabiens zum Tod des Regierungskritikers. Niemand sollte irgendwelche Gründe haben, den offiziellen Aussagen des saudischen Königs Salman nicht zu glauben, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. "Der Rest ist eine Frage der Ermittlungen."

Riad habe die Tat verurteilt und eine Untersuchung zu dem Vorfall angekündigt, fügte Peskow an. "Das begrüßen wir."

Nach Angaben des Kremls war der Tod des Journalisten Gegenstand eines Telefonats des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit König Salman. Bei dem Gespräch am Donnerstag habe Saudi-Arabien die Schritte zur Aufklärung des Falls erläutert.

Neue Details über Tonaufnahmen

Khashoggi war am 2. Oktober im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul getötet worden. Türkische Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Kronprinz Mohammed bin Salman den Befehl zur Beseitigung des Regierungskritikers gegeben hat.

Unterdessen wurden neue Details zum Ton-Mitschnitt bekannt, der offenbar während Khashoggis Aufenthalt im Istanbuler Konsulat angefertigt wurde. Ein europäischer Sicherheitsexperte sagte Reuters: "Es gab einen Streit zu Beginn, sie beleidigten sich gegenseitig, es entwickelte sich." Die Saudi-Araber seien mit den Worten zu hören: "Erteilen wir ihm eine Lehre." Khashoggi habe nicht den Eindruck gemacht, als rechne er damit, getötet zu werden. (APA, 26.10.2018)