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Die Flagge Japans wird bei Shinzo Abes Besuch in China prominent ins Bild gerückt.

Foto: REUTERS/Thomas Peter

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Japanas Premier Shinzo Abe mit seinem chinesischen Amtskollegen Li Keqiang. Es ist der erste japanische Regierungsbesuch in Peking seit 2011.

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Erstmals ist Regierungschef Shinzo Abe auf einem positiv gemeinten Titelbild in China zu sehen. Die chinesische Zeitschrift "Vista" porträtierte ihn am Freitag mit dem Zeile: "Abe kommt zu einem delikaten Zeitpunkt."

Screenshot: Erling/Vista

Entlang der Straße vom Flughafen in die Pekinger City wehten erstmals wieder die Staatsfahnen von Japan und China gemeinsam zum dreitägigen Staatsbesuch von Regierungschef Shinzo Abe. Auch die Fernsehbilder über seine erste Begegnung mit Premier Li Keqiang, bevor Abe am Freitag Chinas Staatschef Xi Jinping traf, rückten die Flagge Japans prominent ins Bild, während Li ihn mit den Worten begrüßte: "Die chinesisch-japanischen Beziehungen sind wieder auf normalen Gleis. Ich hoffe auf noch mehr Fortschritte."

China fällt seine Werbeoffensive gegenüber Japan nicht leicht angesichts der langjährigen vergifteten Atmosphäre zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern. Es ist der erste japanische Regierungsbesuch in Peking seit 2011. Zwar traf Abe Ende 2014 beim Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) im chinesischen Hangzhou mit Xi zusammen. Doch er war damals der Einzige unter den von Chinas Präsidenten zum bilateralen Gespräch empfangenen Staatsgästen, für den demonstrativ die Fahne seines Landes bei der Begegnung nicht aufgestellt wurde. Pekings Misstrauen saß zu tief.

Beide Länder stritten damals über ihre territorialen Ansprüche auf Inseln im Ostchinesischen Meer, über Tokios Umgang mit der Kriegsschuld und über die Besuche von Abe am japanischen Ahnenschrein Yasukini, in dem auch Kriegsverbrechern gedacht wird. Zudem warfen sie sich gegenseitig militärische Aufrüstung vor. Xi kanzelte Abe damals ab: "Wir sind uns klar, was zwischen uns richtig oder falsch und was gerade oder verbogen ist."

Bündnis gegen Donald Trump

Am Freitag aber empfing er ihn betont herzlich. Die Abendnachrichten zeigten als erstes die Staffel japanischer und chinesischer Staatsfahnen. Xi lobte das aktive Engagement Abes für verbesserte Beziehungen mit seinem Land. "Beide Seiten sollten als Partner zusammenarbeiten und sich nicht gegenseitig gefährden." Er forderte Abe auf, ohne dabei die USA namentlich zu nennen, sich mit China zusammen den "Herausforderung der Globalisierung entgegen zu stellen, den Multilateralismus zu verteidigen und den Freihandel zu bewahren". Ebenso hoffe er auf regionale und internationale Sicherheitspartnerschaft.

Beide Seiten wissen, dass Tokio Washingtons wichtigster Verbündeter in Asien ist. Propagandazeitungen wie diefrohlockten im Voraus, dass Donald Trumps Strafzölle, die sich hauptsächlich gegen China aber auch gegen Japan im Handel mit den USA richten, beide Länder eng verbinden würden. Doch diese rücken aufgrund ihrer jeweiligen Wirtschaftsinteressen allerhöchstens etwas näher. Abe ließ sich nicht von Peking vereinnahmen. "Unsere Allianz mit den USA ist die Grundlage, auf der wir unsere Beziehungen mit China verbessern", sagte Regierungssprecher Takeshi Osuga auf einer Pressekonferenz in Peking. "Wir werden dafür keine wichtigen Prinzipien kompromittieren, weder bei universellen Werten wie Menschenrechten, noch in Fragen unserer maritimen Sicherheit im Ostchinesischen Meer."

Für das begonnene Tauwetter und für den erneut boomenden Wirtschaftsaustausch, der 2017 auf mehr als 270 Milliarden US-Dollar stieg, sei der "Wendepunkt" schon vor einem Jahr gekommen, sagte Osuga, als sich Abe und Xi bei einem internationalen Gipfel in Vietnam trafen. Im vergangenen Mai intensivierten sich die Beziehungen, als Premier Li erstmals Japan besuchte.

Neue Seidenstraße

Peking setzt auf neuen Wirtschaftsantrieb durch wieder steigende Investitionen der 30.000 japanischen Unternehmen in China und hofft, wie auch Xi Abe sagte, auf Unterstützung und Beteiligung Japans an seiner umstrittenen Wirtschaftsoffensive der "neuen Seidenstraße". Abe, der sich von hunderten japanischen Wirtschaftsvertretern begleiten ließ, und Premier Li unterschrieben auf einer Unternehmerkonferenz rund 500 Verträge, deren Wert Li mit 18 Milliarden US-Dollar bezifferte. Darunter sind mehrere Dutzend Abkommen über Infrastrukturprojekte in Drittländermärkten, die Privatindustrien beider Staaten dort gemeinsam unternehmen wollen.

Abe hofft mit China unter dem Motto "ein Meer der Freundschaft" zur 2008 verfolgten und dann abgebrochenen Politik gemeinsamer Öl- und Gasexploration im Ostchinesischen Meer zurückkehren zu können. Darüber soll der gefährliche Territorialstreit um die von China beanspruchten, aber unter japanischer Verwaltung stehenden Senkaku-Riffe (chinesisch Diaoyu-Inseln) ausgeklammert und entschärft werden. Seit September 2012 (dem Amtsantritt von Parteichef Xi) kam es zu 220 gefährlichen Zwischenfällen, bei denen chinesische Küstenwachboote in das Seegebiet der Senkaku-Inseln eindrangen. Das Thema "Ostchinesisches Meer" ist aber noch zu heikel. Sprecher Osuga sagte, beide Seiten hätten sich nur darauf geeinigt, "frühzeitig" wieder einen Dialog dazu aufnehmen zu wollen.

"Frieden- und Freundschaftsvertrag"

Zum Auftakt seiner Visite würdigten Abe und Premier Li das 40 Jahr-Jubiläum für den im Oktober 1978 geschlossenen "Frieden- und Freundschaftsvertrag" zur Aussöhnung der einstigen Kriegsfeinde. Japans Regierungschef verkündete dabei das Ende der seit 1978 an China gezahlte Entwicklungshilfe (ODA), zumal die Volksrepublik heute zweitgrößte Weltwirtschaftsmacht sei. Japan hat in den vergangenen 39 Jahren die Entwicklungszusammenarbeit mit insgesamt umgerechnet mehr als 32 Milliarden Euro unterstützt. Viele Chinesen, die im Internet davon lasen, äußerten sich ebenso verblüfft über die Höhe der Summe wie verwundert, dass sie zum ersten mal davon hörten.

Tokio versteht seine intensivierten Beziehungen zu China als Teil einer neuen "flexiblen Außenwirtschaftspolitik". Im Sommer schloss Abe einen bilateralen Freihandelsvertrag mit der EU, sucht das Gespräch mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin, will am kommenden Sonntag ein Abkommen zur umfassenden Zusammenarbeit mit Indien im Hightechbereich schließen. Direkt nach seiner Chinareise trifft Abe dazu in Tokio den zum zweitägigen Besuch kommenden Ministerpräsidenten Narendra Modi. Japans Verhältnis zu den USA bleibe nach Angaben seiner Regierung, aber eine "Sonderbeziehung" und der entscheidende "Eckstein seiner Sicherheit". (Johnny Erling aus Peking, 26.10.2018)