Das schönste Blaugrün ist jenes, das sich im Himmel über St. Petersburg ab Herbstbeginn zeigt, ein Schimmer, den ich noch nie in südlicheren Gegenden in dieser seltsamen Intensität wiedergefunden habe. Ein Blaugrün, das mich knieweich macht. Nostalgisch. Instant kindlich. Wie damals, als dieser grünliche Himmel mein Alltag war, Herbst um Herbst, eiskalter Winter um eiskalter Winter.

Da fallen mir die zuckrigen Süßspeisen ein, die mir als Kind die verfrorenen Finger wärmten und verlässlich schön einfetteten. Und der Finnische Meerbusen, Ziel unserer Wochenendausflüge. Und die Eisberge. Da war Stacheldraht dran, und ich rutschte hinein, und das Wehklagen war groß.

Die Leberwurst, die ich zum Trost erhielt und direkt aus der Plastikhaut herauszuzelte: ein seltenes und Geschenk der Götter in Gestalt meiner Großmutter mit guten Verbindungen zum russischen Fleischmarkt. Diese göttliche Wurst und der Wind, endloser grauer Strand, graues Meer und dieser grüne Himmel darüber. Ich war seit langen Jahren nicht mehr dort, das Bild eingeschlossen in meiner Erinnerung, ein Körnchen Schmerz mit schönem Perlmutt drüber.

Aber dem Himmel wieder begegnen durfte ich doch – auf der anderen Seite. In Helsinki, im gleichen Wind herzhaft Lachs kauend. Der Blick über das Meer. Im Kopf das Wissen, dass es mich nur vier Stunden kosten würde, in meiner Geburtsstadt erneut aufzutauchen. Im Herz das Wissen, dass ich es erneut nicht wagen würde.

Ich begnügte mich mit dem stillen Beobachten der Wellen, dem Geruch nach Fisch, den Möwenschreien. Die Finger übrigens erneut fettig, weil ich auch nach vierzig Jahren nicht essen kann wie ein normaler wohlerzogener Mensch, ohne mich von oben bis unten anzupatzen. Some things never change. (Julya Rabinowich, 27.10.2018)