Autor Tex Rubinowitz (mit Brille) und seine Raterunde rätseln sich im Wiener Pub "Down Under" in Rage.

Foto: Christoph Schlessmann

Ein paar Stunden Spaß und Ärger mit dem Pubquiz.

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Warum quizzen Menschen eigentlich? Warum stellen sie einander Fragen, deren Antwort sie bereits kennen? Konfrontiert man sich in dieser freiwilligen Prüfungssituation mit irgendeinem Trauma, gibt's da einen masochistischen Mehrwert? Die Führerscheinprüfung nicht bestanden, den Vaterschaftstest vermasselt, beim Rorschachtest durchgefallen, weil man die Kleckse ausgeschnitten hat, zur Strafe lässt man sich bei Armin Assinger demütigen?

Der immer den Eindruck macht, sein maskenhaftes Pokerface kaschiere nur mühsam, dass er eigentlich der Ahnungsloseste im ganzen Saal ist. Der Quizmaster aus Versehen, der eigentlich lieber Berge hinunterbrettern würde und dabei schlechte Witze macht, in der Hoffnung, sie mögen an irgendeinem Stammtisch ankommen, dort, wo feixende Typen wie Harald Prünster sitzen.

Der Anreiz: billiger Fusel

Irish Pubs sind genauso schlechte Witze, mit Irland haben sie gar nichts mehr zu tun, wenn sie es denn je hatten, außer vielleicht dass da und dort permanent diese entsetzliche Musik der Dubliners gespielt wird oder Bono mit seinem zähneziehenden Gejaule den Menschen vorsätzlich wehtut und dieses grauenvolle, stopfende schwarze Bier ausgeschenkt wird, jeder aufrichtige Ire mit einem Mindestmaß an Stolz, Stil und Verstand muss sich doch für diesen fragwürdigen Kulturexport schämen ("Damit haben Flann O'Brien und ich nichts zu tun!").

Irgendwann kamen die Betreiber dieser Anstalten auf die Idee, wenn das durchgegrölte Wochenende ("Dirty Old Town") zu Ende ist und es am Wochenanfang auch nicht mehr in der Kasse raschelt und die dicke Biersuppe im Hahn saurer wird, als sie sowieso schon ist, was man tun könnte, um auch an niederfrequentierten Tagen Profit zu machen, und irgendeiner kam dann auf die grandiose Idee, ein Quiz zu veranstalten, bei dem man nicht mal Eintritt oder Nenngeld zahlen muss, man nur einen billigen Fusel (Whiskey) als Preis auslobt oder ein bisschen Geld, das sowieso reinkommt, weil Quizzer sich in Rage rätseln und also durstig werden, und je schwieriger die Fragen sind, desto eher bleibt der Gewinn im Jackpot und wird größer und größer, was wiederum den Reiz des Spiels und die Gier der Gäste befeuert.

Ein Kasuar? Nicht googlen!

Regelmäßige Pub-Quizzer werden vom Wirt und Quiz-Host begrüßt, es ist eine Art Stammtisch einer Loge, die Gruppe bis zu maximal sechs Teilnehmern hat einen Namen, mit dem Namenstäfelchen wird ein Tisch reserviert, es gibt beliebte Tische, die man sich vermutlich durch Regelmäßigkeit ersitzt, die Gruppen haben erwartbar grauenvoll "witzige" Namen ("Die Gullysultane", "Larrys Erbsen", "Budapester Bumsorchester"), der Quizmaster oder die Quizmistress baut einen in die Fragen ein ("Clemens, das ist jetzt eine Frage für dich"), es gibt Pausen, damit man noch mehr bestellen kann, auch das schmierige Essen, allerlei Frittiertes und Fetttropfendes, worauf man noch mehr Durst bekommt, es wird argwöhnisch darauf geachtet, dass niemand schummelt, an jedem Nachbartisch sitzt ein Denunziant, wer googelt, "bekommt Sambuca in den Schritt geschüttet", sagt beispielsweise der Quizmaster im deprimierend studentischen Pub Down Under in Wien-Mariahilf, und auf die fragenden Blicke, aha, und, das soll eine Strafe sein?, setzt er nach: "Und dann wird's angezündet."

Aber ein echter Quizzer mogelt nicht, der steht dazu, auch mal etwas nicht zu wissen, etwa wie Elton John mit Mittelnamen heißt (Hercules), und auch wenn das hier alles so altbacken, primitiv, archaisch klingt, nach harmloser Pfadfinderunterhaltung für Stubenhocker mit unreiner Haut, was es ja auch ist, macht es doch einen großen Spaß. Nicht nur dem Drang zu widerstehen, all das, was man nicht spontan weiß, aber einem auf der Zunge liegt, schnell zu googeln.

Ein Kasuar? Ja, klar, der hässliche Stelzvogel. Wie alt in Tagen sind die Mitglieder der Clownsmetalband Metallica? Alle über 50, also mal 365, macht? Irgendeine große Zahl halt. Das Blut der Oktopusse? Nein, nicht schwarz, das ist die Tinte, durchsichtig, oder? Blau ist es, außerdem haben sie drei Herzen, das schon mal abspeichern, wenn die Frage demnächst kommt.

Kurze Meinungsführerschaft

Was früher gedacht war, um einer Wochenanfangsflaute in den Pubs etwas entgegenzusetzen, und zwar global, ist aber mittlerweile zu einem richtigen, nun ja, Wirtschaftsfaktor geworden, an jedem Tag der Woche wird gerätselt, damit es nicht zu einem Quizstau kommt, es gibt Leute, die davon leben, sich Fragen auszudenken, wie so etwas vergütet wird, ist nicht eindeutig festgelegt und liegt vermutlich im Ermessen des jeweiligen Wirtshauses, der in Wien lebende Daniel Attila Hazler beispielsweise beliefert etliche Pubs in Österreich mit seinen Fragen, auch das Sperrmülllager Down Under, und er muss nicht mal vor Ort sein, denn die Fragen stellt dann jemand, dem es Spaß macht, die Leute zu prüfen, sich kurzfristig machtvoll zu fühlen, weil er das Zepter der Meinungsführer in der Hand hat, das Mikrofon nämlich, und diese Leute bekommen dann gerade mal ihre Gage in flüssiger Währung, sprich ein paar Bierchen und Schnäpschen, und eben das kleine trügerische Gefühl der Überlegenheit.

Einmannquizmanufaktur

Daniel Hazler nennt sein Einmannunternehmen Quizmanufaktur und preist seine Dienste so fischig an, dass, wenn er Gebrauchtwagen verkaufen würde, man lieber auf skeptischer Distanz bleibt: "Wie unser Firmenname suggeriert, legen wir großen Wert auf individuell ausgearbeitete Produkte für unsere Kunden. Unsere Quizfragen sind maßgeschneidert und handverlesen. Wir nehmen uns die Zeit, die Anforderungen unserer Kunden ganz genau kennenzulernen. Massenware werden Sie bei uns nicht finden. Unsere Quizfragen können sich daher auch sehen lassen: unterhaltsam, knifflig und kurzweilig – mit integriertem Aha-Effekt."

Rätselhaft, wie man auf so ein gestelztes Vokabular kommt, es klingt wie eine ungelenke Bewerbung für etwas Höheres, vielleicht einmal Fragen für Assinger schreiben zu dürfen, gleichzeitig aber auch erleichtert zu sein, nicht mehr diese Pubs mit der unguten Luft betreten zu müssen.

Zumindest benennt er schamlos Ross und Reiter: "Rauchende Köpfe löschen ihren Durst öfter. Mit einem Pub-Quiz locken Sie neue Gäste an, erhöhen den Umsatz eines vielleicht sonst schwachen Abends. Wir verstehen unser Geschäft. Wir haben zahlreichen Lokalen zu einer beachtlichen Umsatzsteigerung verholfen. Fragen zu stellen ist keine Kunst. Unterhaltsame und kreative Fragen zu stellen dagegen schon. Wir können das. Wir leben davon."

Und man kann ihm dazu nur gratulieren, dass er davon leben kann, aber wir haben zumindest für ein paar Stunden Spaß und Ärger, weil uns partout nicht einfällt, was Cuisses de grenouille sind, tja, der Mann mit den aschenbecherdicken Brillengläsern am Nebentisch quakt wie ein Frosch, eben, es sind Froschschenkel.

Aber war das jetzt schon vorgesagt? (Tex Rubinowitz, 27.10.2018)