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Der neue irakische Premier Adel Abdul Mahdi hat sich zwar als unabhängig etabliert, bleibt aber in alten Machtstrukturen gefangen.

Foto: AP / Hadi Mizban

Bagdad – Der Irak hat seinen vierten Premierminister seit dem Sturz der Diktatur von Saddam Hussein 2003, der aufgrund von Parlamentswahlen in diese Position gekommen ist: Auch der Bürgerkrieg 2006 bis 2008 und die Besetzung eines Drittels des irakischen Territoriums durch den "Islamischen Staat" im Jahr 2014 und der darauffolgende Befreiungskrieg haben den politischen Prozess in Bagdad nie völlig entgleisen lassen. Am Mittwochabend wurde der 76-jährige Schiit Adel Abdul Mahdi vom Anfang Oktober vom Parlament gewählten Präsidenten Barham Salih als Regierungschef angelobt.

Was nicht heißt, dass alles gut ist. Der Irak-Experte Harith Hasan von der Central European University (CEU) in Budapest nennt die Vorgänge "enttäuschend". Obwohl Abdul Mahdi sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als unabhängig erworben hat und der erste Premier seit 2005 ist, der nicht der Dawa-Partei angehört, ist er in den alten Machtstrukturen gefangen und stand unter großem Druck der Parteien: Sein Vorhaben, mit seiner Kabinettsliste einen Neuanfang und die Professionalisierung der irakischen Politik einzuleiten, ist wohl nur begrenzt gelungen.

14 Vorschläge akzeptiert

Die Parlamentssitzung am Mittwoch war von Streitereien, Vorwürfen gegen Ministerkandidaten und teilweisen Auszügen von Parlamentariern begleitet, unter anderem der Siegerpartei bei den Wahlen im Mai, den "Sairun" von Muqtada al-Sadr. Am Ende wurden 14 Ministervorschläge vom Parlament akzeptiert, aber weitere acht Posten sind offen, darunter Schlüsselressorts.

Immerhin reichte die Anzahl der durchgekommenen Kabinettsmitglieder, um die Bildung einer neuen Regierung zu verkünden. Abdul Mahdi hat damit die verfassungsmäßige Deadline von 2. November eingehalten.

Besonders kontrovers war Abdul Mahdis Vorschlag für das Innenministerium: Falah al-Fayyad, der vom vorigen Premier, Haidar al-Abadi, als Chef der meist schiitischen Volksmobilisierungseinheiten (Hashd al-Shaab) entlassen worden war. Das rief vor allem bei sunnitischen Parlamentariern Empörung hervor. Die Allianz der meist Iran-freundlichen Milizen (Fatah) wurde bei den Wahlen Zweiter und besteht wegen ihrer Rolle beim Sieg gegen den IS auf diesen Posten.

Neue Namen, alte Verwandte

Eine andere Kontroverse brach über den vorgeschlagenen Verteidigungsminister, Faisal al-Jarba, aus, von dem Fotos zirkulierten, auf denen er mit Saddam Hussein zu sehen ist. Andere Kandidaten wurden der Korruption bezichtigt. Es fällt auch auf, dass etliche der "neuen Namen" Verwandtschaft haben, die zum alten politischen Establishment gehört.

Die Kurden haben bisher zwei Ministerien, so gingen die Finanzen an Fuad Hussein, der Anfang Oktober für die KDP (Kurdische Demokratische Partei) von Massud Barzani für den Posten des Staatspräsidenten nominiert worden war. Für die kurdische Regionalregierung in Erbil ist damit die Hoffnung intakt, einen fairen Budgetanteil zugesprochen – und auch ausbezahlt – zu bekommen. Die letzten Jahre waren von Streitigkeiten gekennzeichnet, die dazu beigetragen haben, dass Barzani Ende September 2017 im Kurdengebiet ein Unabhängigkeitsreferendum abhalten ließ, das Bagdad mit umfassenden Strafmaßnahmen beantwortete.

Apparate bleiben bei den Parteien

Die Irak-Expertin Nussaibah Younis (European Institute of Peace), diese Woche im Kreisky-Forum in Wien zu Gast, sieht die Gefahr neuer konfessioneller/ethnischer Konflikte im Irak lauern, auch wenn es momentan "unmodern" sei, davon zu reden. Ob diese Regierung wirklich in der Lage sein wird, das "Sektierertum" zu überwinden, sei dahingestellt. Selbst wenn auf Ministerebene halbwegs neutrale Personen säßen, so bleiben die Apparate einstweilen doch in den Händen der Parteien.

Auf Abdul Mahdi wartet Anfang November nicht nur die innenpolitisch schwierige Fertigstellung der Regierung, sondern auch der erste außenpolitische Härtetest. Der Irak will – und kann – sich den von den USA verhängten Sanktionen gegen den Iran nicht anschließen und will von Washington einen "waiver", die Gewährung einer Ausnahmeregelung. Sonst würden auch den Irak US-Sanktionen treffen, die am 4. November gegen alle, die iranisches Öl kaufen, in Kraft treten. (Gudrun Harrer, 26.10.2018)