Bild nicht mehr verfügbar.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel blickt der Landtagswahl in Hessen am Sonntag mit einiger Sorge entgegen. Danach könnte ihre Koalition brechen.

Foto: AP / Markus Schreiber

Also noch einmal – für alle, die es noch nicht gehört haben, diesmal im Hessischen Rundfunk. "Es kann nicht jede Landtagswahl dann zu einer kleinen Bundestagswahl stilisiert werden. Das ist falsch. Es geht um viel für die Bürger in Hessen", sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Woche.

Auch auf diversen Wahlkampfbühnen versuchte sie den Bürgerinnen und Bürgern klarzumachen, dass sie die Landtagswahl nicht für eine Abrechnung mit der Politik der großen Koalition in Berlin nutzen sollten: "Es wird am Sonntag über Hessen abgestimmt." Und sie fügte hinzu: "Danach sprechen wir wieder über Berlin."

Absturz von CDU und SPD

Doch es sieht nicht danach aus, als fiele die Bitte auf fruchtbaren Boden. Umfragen sagen sowohl der CDU als auch der SPD herbe Verluste voraus. Die CDU könnte von 38,3 Prozent auf 26 bis 28 Prozent stürzen, die SPD von 30,7 auf 20 Prozent. Von der anderen Richtung kommen wohl die Grünen: Ihnen wird ein Plus von 11,1 auf 20 Prozent vorausgesagt.

Es zeichnet sich zudem ab, dass die AfD mit einem zweistelligen Ergebnis in den hessischen Landtag in Wiesbaden einziehen wird und dass es für die Weiterführung der schwarz-grünen Landesregierung von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) nicht reichen wird. Allerdings waren 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler kurz vor dem Urnengang noch unschlüssig, wo sie ihr Kreuz hinmachen wollen.

Situation ist angespannt

In Bayern hatte die CSU vor 14 Tagen bei der Wahl schwere Verluste erlitten. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer musste diese Woche bei einer Veranstaltung in Frankfurt einräumen, dass die Situation aller drei Regierungsparteien – CDU, CSU und SPD – angespannt sei: "Das muss man ganz offen sagen."

Sie schließt auch ein Auseinanderbrechen der großen Koalition nach der Hessenwahl nicht aus. Niemand könne "zu einhundert Prozent sagen, wie stabil das bleibt, was sich vor allem an Dynamiken in den einzelnen Parteien entwickelt", meinte sie mit Blick auf den unklaren Wahlausgang.

Wie es im Falle eines Koalitionsbruches durch die Sozialdemokraten weitergehen würde, weiß sie auch schon: "Sollte diese Regierung jetzt auseinanderbrechen, wird es auf Neuwahlen hinauslaufen." Zu einer Minderheitsregierung wäre die Union, die im Bundestag die stärkste Kraft ist, also wohl nicht bereit. Lust auf Flucht aus der Groko in Berlin wird vor allem den Sozialdemokraten nachgesagt. In Bayern haben sie ein historisch schlechtes Ergebnis von 9,7 Prozent erzielt, das Resultat in Hessen dürfte die Stimmung auch nicht heben.

SPD soll nicht kopflos agieren

Viele in der SPD meinen, es wäre klüger, die ungeliebte große Koalition zu verlassen. Andererseits herrscht auch Angst vor Neuwahlen. Bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 hatte die SPD nur magere 20,5 Prozent bekommen. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren, als der SPD mit den Grünen der Machtwechsel gelang, waren es 40,9 Prozent für die Sozialdemokraten gewesen. Und in Umfragen lag die SPD in jüngster Zeit gleichauf mit der AfD, die bei der Bundestagswahl 12,4 Prozent erreicht hatte.

Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles mahnt daher zur Besonnenheit nach der Hessenwahl: "Es ist für die SPD nicht ratsam, übereilt oder gar kopflos zu reagieren. Nach der Wahl am Sonntag will sie so vorgehen: "Wir müssen herausfinden, ob CDU und CSU in der Lage sind, zu einer verlässlichen Sacharbeit in der Koalition zu finden." Nachsatz: "Das Unheil in der Koalition kam und kommt nicht aus der SPD." Die Lesart von Nahles und vieler anderer Genossen lautet nämlich so: Schuld an der schlechten Stimmung ist die Union, vor allem die CSU, da sie ständig Streit mit der CDU vom Zaum bricht.

Weniger Geduld wollen die SPD-Parteilinken aufbringen. Sie fordern eine Mitgliederbefragung über einen Ausstieg aus der großen Koalition nach der Hessenwahl. "Die SPD-Spitze hat es verabsäumt, ein Ausstiegsszenario aus der großen Koalition zu entwickeln", kritisiert Hilde Mattheis im Focus. Man sollte erneut die Basis befragen – "nicht in einem Jahr, sondern jetzt". (Birgit Baumann aus Berlin, 27.10.2018)