Amour fou auf sehr amerikanisch: Joseph H. Lewis' Gangsterpaarballade "Gun Crazy" ist eines der einflussreichsten B-Movie-Kunststücke.

Foto: Filmmuseum

"Donovan's Brain" im Rahmen der "B-Film"-Retrospektive im Filmmuseum.

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Ein Landarzt strebt nach höheren Weihen als Wissenschafter. Seine Praxis gleicht einem vollgeräumten Labor, dort erforscht er gemeinsam mit seiner Geliebten (Nancy Davis, später Ronald Reagans Frau) und einem alkoholduseligen Chirurgen die Lebenstüchtigkeit von Gehirnen. Genauer gesagt handelt es sich um vom Körper losgetrennte Gehirne, die künstlich am Leben gehalten werden. Säuberlich herausoperiert, pulsiert jenes eines Affen gleich zu Beginn von Donovan's Brain (1953) fröhlich im Formalinbad.

Trailer zu "Donovan's Brain".
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Die nächste Herausforderung kommt noch am selben Tag mit dem Überlebenden eines Flugzeugabsturzes. Das Experiment gelingt: besser, als man zu träumen wagte. Denn das gerettete Organ erweist sich als lebenshungrig. Es ergreift Besitz von Dr. Cory (Lew Ayres) und strebt skrupellos danach, kriminelle Geschäftsinteressen wieder aufzugreifen. Als zentraler, schnell kombinierender Bösewicht des Films ist es zugleich Zerrbild von Kalter-Kriegs-Paranoia wie eines gierigen Nachkriegskapitalismus.

Doublefeature

Im Kino dieser Zeit bildeten sich solche gesellschaftlichen Tendenzen bevorzugt in der ähnlich zielstrebigen Form des B-Movies ab, zu der auch Felix E. Feists Verfilmung des Science-Fiction-Autors Curt Siodmak gehörte. Spätestens seit den 1940er-Jahren war das Doublefeature die gängigen Vorführpraxis in amerikanischen Kinos. Zur prestigeträchtigen, mit hohem Geld- und Personalaufwand gedrehten A-Produktion programmierte man schnell und oft seriell hergestellte B-Filme, die eigene Studios (Monogram, Mascot, RKO) hervorbrachten, die "poverty row" jenseits vom Sunset Boulevard – Hollywoods Armutsviertel, zuständig für ein Spektakelkino, das Effekte über "production values" stellte.

Schöpferische Energie

Die von Filmmuseum und Viennale gemeinsam ausgerichtete Retrospektive The B-Film nimmt diese klassische, eng an die Vertriebslogik geknüpfte Periode zwischen 1935 und 1959 neu in den Blick – bevor "B-Movie" zum geflügelten Begriff und oft abwertend mit Schundkino gleichgesetzt wurde. Kurator Haden Guest, Direktor des Harvard Film Archive, spricht davon, die gemeinsame Energie dieser Filme, ihre wiederkehrenden Muster und Strategien kenntlich zu machen. Und damit auch einen schöpferischen Freiraum, der bei A-Produktionen, die einer weit größeren Kontrolle unterlagen, nicht im selben Maß gegeben war.

Trailer zu "Detour".
Film Noir

Dass sich dafür bestimmte Genres besonders eigneten, liegt auf der Hand. Vor allem der Film noir konnte mit seiner Betonung des Stilistischen bei gleichzeitigem Fokus auf destabilisierende Kräfte im B-Schattenreich gut gedeihen. Neben bereits kanonisierten Werken wie Edgar G. Ulmers pechschwarzem Roadmovie Detour (1945) oder dem einflussreichen Gun Crazy (1950), der Tour de force rund um ein brutal-romantisches Gangsterpärchen, ist When Strangers Marry (1944) eine der unbekannteren Arbeiten im Programm. Er bringt diese Balance von erzählerischer Ökonomie und inszenatorischer Ambiguität schön auf den Punkt.

Schatten der Stadt

Kim Hunter, acht Jahre später für Endstation Sehnsucht mit einem Oscar prämiert, spielt das naive Mädchen vom Land, das nach New York reist, um dort den Ehemann zu treffen. Sie hat ihn erst drei Mal gesehen, und nun schwebt der Verdacht im Raum, dass er ein Mörder sein könnte. Regisseur William Castle versinnbildlicht die Großstadt in diesem Film, zu dessen Bewunderern auch Orson Welles gehörte, als dubiosen Ort der Anonymität. Loyalitäten gelten hier wenig, die Identität von Personen verliert sich im Ungefähren der Straßenschatten und Lichtschilder.

Trailer zu "Sh! The Octopus".
Night Of The Trailers

Horror und Science-Fiction, der exotische Detektivfilm – mit dem Emigranten Peter Lorre als japanischem Ermittler Mr. Moto -, aber auch bizarre Mischformen, die den Eklektizismus dieser Form belegen, wurden zu weiteren Steckenpferden. Ein Film wie Sh! The Octopus (1937) (Regie: William C. Gann) wirkt in seinem Mangel an Kohärenz schon fast wie eine dadaistische Attacke auf die Sinne. In einem Leuchtturm, in dem laufend Fangarme aus Schiebetüren nach Opfern greifen, suchen ein paar dumme Polizisten und kreischende Frauen eine Geschichte.

In schrägen Arbeiten wie dieser wird deutlich, dass auch die künstlerischen Erneuerungsenergien der Moderne einen Weg in diese Fließbandproduktionen fanden. (Dominik Kamalzadeh, 27.10.2018)