"Bienvenidos a nuestra familia! Welcome!" Ein gängiger Willkommensgruß in San Antonio, einer nicht gerade typischen US-Metropole. In San Antonio kann man sehen, wie die mexikanischen Einwanderer aus dem Süden die USA bereits verändert haben. Durch die Straßen donnern die in Texas besonders beliebten Pick-ups mit den gigantischen Stoßdämpfern und der Gangsterrapmusik, aber hinter dem Steuer sitzen fast schon mehr Latinos. Sie stellen laut dem Zensus bereits fast 50 Prozent der Bevölkerung.

Bestimmende Themen der Stadt sind Einwanderung, die Benzinpreise – das Frackingprojekt "Eagle Ford" liefert der Stadt rund 1,3 Millionen Barrel Öl täglich und macht Tanken um mehr als die Hälfte billiger als in Österreich – und der Stolz auf das Weltkulturerbe Fort Alamo, Ort einer legendären Schlacht zwischen Texas und Mexiko. Der Bär steppt aber nicht unbedingt in Downtown. "In Toronto ist insgesamt mehr los, dafür wird der Winter hier sicher viel angenehmer werden. Ich muss die Stadt aber noch besser kennenlernen", sagt Jakob Pöltl dem STANDARD.

San Antonio, die älteste Stadt in Texas, feiert ihren 300. Geburtstag mit mexikanischem Touch. Das 1929 eröffnete Tower Life Building ist ein Wahrzeichen der historischen Innenstadt.
Foto: imago/Westend61

Cowboystiefel und Countrymusik sind Klischees, die San Antonio nicht pflegt. Aber zumindest die bekanntesten Botschafter der Stadt mit 1,5 Millionen Einwohner tragen ein Cowboyutensil im Namen: die San Antonio Spurs (Sporen), das lokale Team in der National Basketball Association (NBA). Und es ist nicht irgendein Team. Die Spurs gehören zu den erfolgreichsten Mannschaften der Liga, standen sechsmal in den Finals und eroberten fünfmal die Meisterschaft, zuletzt 2014.

Mittendrin ist der 23-jährige Wiener Pöltl, der von Toronto zu einem Team mit einer Siegermentalität transferiert wurde. Und der nun von einem der weltweit ungewöhnlichsten Basketballtrainer betreut wird. Gregg Popovich denkt über das Spielfeld hinaus und ist damit auch noch äußerst erfolgreich. Zum 23. Geburtstag von Pöltl ließ Popovich im Training ein Ständchen des Komponisten Franz Schubert über die Lautsprecher laufen, während die Mitspieler Happy Birthday sangen. "Das war schon einzigartig. Popovich hat Humor, so eine Aktion liefert nur er. Das macht den Verein auch zu etwas Besonderem", sagt Pöltl."

"Coach Pop"

Der 69-Jährige, der Einfachheit halber "Coach Pop" genannt, ist seit 22 Jahren Cheftrainer der Spurs. Kein Trainer, ob im Football, Baseball, Eishockey oder Basketball, ist in den US-Profiligen länger im Amt. Popovich ist auch der einzige Coach, der sein Team 21 Mal in Folge ins Playoff führte und nur einer von fünf, der fünfmal (1999, 2003, 2005, 2007, 2014) den Titel gewann.

Als einer der ersten NBA-Coaches hat er ausländischen Spielern wie den Franzosen Tony Parker und den Argentinier Manu Ginobili große Verantwortung auf dem Spielfeld übertragen. "Wenn du einen guten Spieler mit Charakter und Teamgeist findest, dann macht es keinen Unterschied, ob er aus Südamerika, Europa oder aus dem Nahen Osten kommt", sagt Popovich.

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Das Trainingszentrum der Spurs spielt alle Stückerl.
Foto: AP/Gay

Wechsel der Szenerie: Nach dem Verlassen eines vierspurigen Highways, der eine breite Schneise mitten durch die Stadt schlägt, führt die Fahrt vom AT&T-Center zum Trainingsgelände der Spurs am Bezirk Jefferson Heights vorbei, einem Ghetto wo sich ein einstöckiges, verfallenes Holzhaus an das nächste reiht. Die Distanzen sind gewaltig, mit dem Bus wäre es eine Weltreise. Fahrer Juan ist Spurs-Fan, weiß aber nicht, wer Jakob Pöltl ist. "Who’s that? A big man?" Bei der zweiten Saisonniederlage daheim gegen Indiana fragte man sich als Zuschauer manchmal, ob Pöltls Mitspieler ähnlich dachten. Oft wurde der Neue nicht angespielt, ein frustrierender Abend, der nach 13 Minuten Spielzeit mit zwei Punkten und fünf Rebounds frühzeitig beendet war.

"Ich muss mir noch viel Vertrauen von meinen Mitspielern und Trainern erarbeiten, bin noch nicht hundertprozentig ins System integriert. Ich hab zwar zwei Jahre NBA-Erfahrung, fange hier aber wieder quasi bei null an. Es liegt ein langer Weg vor mir", sagt Pöltl. Spurs-Superstar LaMarcus Aldridge macht sich um seinen österreichischen Teamkollegen keine Sorgen. "Er macht seine Sache gut. Wenn er frei ist, wird er auch bald öfter den Ball bekommen", sagt der 2,11 Meter große Aldridge zum 30 Zentimeter kleineren STANDARD.

Das Trainingszentrum verfügt über zwei polierte Parkettfelder, neben Kraftraum, Sauna und Kältekammer gibt es auch eine Küche – NBA-Standard. Am Tag nach der Niederlage gegen Indiana herrscht Katerstimmung, Journalisten werden links liegengelassen, es gibt nur wenige Wortspenden. Dabei ist auch das restliche Trainerteam interessant.

Jakob Pöltl muss sich bei den Spurs neu beweisen.
Foto: USA Today Sports

Eine erste Trainerin

Die Spurs geben sich als progressive Kraft in einem gelddurchtränkten und von Männern dominierten Sportbusiness. In Becky Hammon verpflichtete der Klub vor zwei Jahren als erster in der NBA eine hauptberufliche Trainerin. Das Wir steht über allem und schließt auch Ettore Messina ein, bei dem man sich respektlos vorkommt, wenn man ihn einen Assistantcoach nennt. Der Italiener gewann mit Virtus Bologna und ZSKA Moskau mehrmals den Europacup und gilt als einer der besten europäischen Trainer aller Zeiten.

Die Spurs lassen sich die Dienste ihrer Spieler 121 Millionen Dollar im Jahr kosten, leisten sich damit aber nur den zwölftteuersten Kader der Liga. Jakob Pöltl ist eine vergleichsweise billige Arbeitskraft, verdient knapp drei Millionen Dollar in dieser Spielzeit, nächste Saison steigt sein Gehalt auf knapp 3,75 Millionen Dollar. Vorstandsvorsitzende ist mit Julianna Hawn-Holt eine Frau in führender Rolle eines multinationalen Ölkonzerns, Hauptgönner der Eigentümergruppe San Antonio Sports and Entertainment ist die texanische Frost Bank, lokale Energie- und Kommunikationsriesen haben das 18.000 Zuschauer fassende AT&T-Center vor die Tore der Stadt betoniert, wo die Spurs ihre Heimspiele austragen. Texas ist der reichste Bundesstaat der USA, finanziell geht es den San Antonio Spurs ganz gut.

Sportlich weniger. Diese Saison wird ein Kampf um einen Platz in den Playoffs, die Meisterschaft ist außer Reichweite, die Mannschaft steht nach der schrittweisen Pensionierung seiner besten drei Spieler – Tim Duncan, Parker und Ginobili – mitten in einem Umbruch. Das Geheimnis des bisherigen Erfolges war, "dass es keines gab", sagt Coach Popovich, "es bleibt nichts als harte Arbeit." (Florian Vetter aus San Antonio, 29.10. 2018)