Sultan Qabu (links) empfängt Israels Premierminister Benjamin Netanjahu – ein außergewöhnlicher Akt mit familiären Anstrich.

Foto: APA/AFP/Omani Royal Palace

Auch wenn das Sultanat Oman, im Südosten der arabischen Halbinsel, auf eine lange Geschichte kühner diplomatischer Initiativen verweisen kann: Der Besuch von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in Maskat war in jeder Beziehung außergewöhnlich. Dass Netanjahus Frau Sara mitreiste, gab der Visite etwas Familiäres, Freundschaftliches; die Berichterstattung der omanischen Staatsmedien vermittelte den Eindruck von Normalität.

Dabei ist die Aktion von Sultan Qabus, der sich in der ganzen physischen Fragilität seiner Krebserkrankung zeigte, in den Augen der arabischen Welt alles andere als normal. Nur Ägypten und Jordanien, die mit Israel Friedensverträge haben, pflegen offizielle Beziehungen. Es gibt drei Staaten am Golf, von denen man weiß, dass sie mittlerweile relativ gute Kontakte zu Israel haben – Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE) und Bahrain. Aber keiner war bisher zu so einer Geste bereit. In den VAE setzte ein bekannter Kommentator einen empörten Tweet über den "Terroristen Netanjahu", der in Maskat empfangen werde, ab.

Oman war eines der arabischen Länder, die den Beginn des Oslo-Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern 1993 mit demonstrativer Zustimmung aufnahmen. 1994 besuchte der – 1995 wegen seiner Friedensbereitschaft von einem israelischen Extremisten ermordete – Premier Yitzhak Rabin das Sultanat, auch sein Nachfolger Shimon Peres traf 1996 Sultan Qabus. 1995 war der omanische Außenminister in Israel.

Vorgeschmack auf den Frieden

Mit dem Zusammenbruch von Oslo hörten zumindest diese offiziellen Kontakte auf. Von omanischer Seite waren sie ja als Vorgeschmack, als Anreiz für die Zeiten gedacht, in denen es einen Palästinenserstaat an der Seite Israels geben würde. Aktuell gibt es jedoch so gut wie keine Hoffnung auf einen israelisch-palästinensischen Frieden, außer man glaubt an den "großen Deal" von US-Präsident Donald Trump, der alle Probleme des Nahen Ostens auf einmal lösen will.

Indem Qabus vor wenigen Tagen auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Maskat empfing, gab er der Einladung Netanjahus den Anstrich einer "Initiative". Am Samstag hieß es in Maskat ausdrücklich, auch wenn man hilfreich sein wolle, sehe man sich nicht als Vermittler. Die Omaner wissen sehr wohl, dass sie Netanjahu kaum dazu bringen werden, den Palästinensern einen Staat, der diesen Namen auch verdient, zu geben.

Aber akuten Bedarf an Vermittlung gibt es in Sachen Gazastreifen, wobei jedoch Kairo die Hauptrolle spielt: Trotz der jüngsten Gewaltausbrüche ist die Hoffnung auf eine längerfristige Waffenpause zwischen Hamas und Israel noch nicht begraben. Es ist ausgerechnet die Palästinenserbehörde von Mahmud Abbas, die alles noch schwieriger macht, denn sie will der Hamas die Rolle eines Akteurs, mit dem man spricht, nicht gönnen. Verständlich, aber dennoch im Moment in niemandes Interesse. Aber was immer die Omaner Präsident Abbas gesagt haben, auch er zeigte sich nach seinem Besuch sehr zufrieden, nicht nur Netanjahu. Das ist die omanische Diplomatie.

Oman im Auge des Taifuns

Dass das Thema Palästinenser bei Netanjahus Besuch eine Rolle spielte, sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für die arabischen Hauptstädte in den Hintergrund gerückt ist. Das gilt für Maskat umso mehr, als es im Auge des Taifuns aller möglichen Konflikte ist, die sich über dem Persischen Golf zusammenbrauen: der große Kalte Krieg zwischen Saudi-Arabien und Iran, von dem viele befürchten, dass er "heiß" wird, und der selbstzerstörerische Streit innerhalb des Golfkooperationsrates: Saudi-Arabien, VAE und Bahrain gegen Katar (auch wenn Oman von diesem Konflikt wirtschaftlich profitiert, als Ausweichquartier für katarische Geschäfte).

Und dann gibt es noch etwas, worüber nicht so offen gesprochen wird: die neue aggressive Sicherheitspolitik der Vereinigten Arabischen Emirate, die ja bis in den Jemen und ans Horn nach Afrika ihren Niederschlag findet. Im Oman gibt es Befürchtungen über emiratische territoriale Begehrlichkeiten in der Zeit nach dem Tod des jetzigen Sultans. Dessen Nachfolgeregelung ist nicht bekannt, manche befürchten instabile Zeiten, sogar Aufstände. Auch deshalb ist es wichtig, dass Oman Präsenz zeigt, als ein wichtiger Staat auf der Landkarte der Arabischen Halbinsel.

Omans eigene Iran-Politik

Die Omaner sind als Vermittler nicht zuletzt deshalb so aktiv, weil sie von jeder Krise in der Region direkt bedroht sind. Vom Iran trennen sie nur wenige Kilometer. 2013 brachten sie schon vor der Wahl von Präsident Hassan Rohani im Iran Amerikaner und Iraner zu Gesprächen zusammen, aus denen dann die Wiener Atomverhandlungen und 2015 das Atomabkommen wurde, das Trump inzwischen gekündigt hat. Die völlige Isolierung des Iran, die Saudi-Arabien und Israel zusammenbringt, hat Maskat nie mitgetragen. Man wäre gerne ein Mäuschen, um zu wissen, was Netanjahu und des Sultan einander in dieser Beziehung gesagt haben.

Sultan Qabus, der sich seit Jahren auch aus der omanischen Politik sehr zurückgezogen hat, ist ein mutiger und visionärer Mann, wenn er den israelischen Premier empfängt. Dass Oman nicht ganz so stabil und die omanische Führung nicht ganz so unumstritten ist, wie es immer heißt, zeigte sich jedoch 2011 anlässlich des "Arabischen Frühlings". Die Proteste fielen im Oman heftiger aus als in anderen Golfstaaten, und die Verhältnisse sind seitdem nicht freier geworden. Das heißt auch, dass Dissens über die Entscheidung Qabus‘, Netanjahu einzuladen, nicht zu hören sein wird. Man sollte sich jedoch keine Illusionen darüber machen, dass es Kräfte gibt, denen das gar nicht passt. (Gudrun Harrer, 27.10.2018)