"Du kannst es im Straßenverkehr spüren: Jeder hasst jeden", heißt es in einem Song von Joni Mitchell, einer Künstlerin mit besonders feinen Antennen für das, was in den zwischenmenschlichen Beziehungen im Argen liegt. Und gehasst wird nicht nur im Straßenverkehr.

Die sich häufenden Schreckensmeldungen aus den USA (aber wahrlich nicht nur von dort) bezeugen die Existenz einer schier endlosen Anzahl von Hassobjekten für jede Wut und jeden Zorn: Frauen, Männer (weiße alte), Schwarze, Araber, Linke, Rechte, Migranten, Muslime. Die sind neuerdings Lieblingspopanz aller Verängstigten und Hasserfüllten. Das heißt nicht, dass die Juden ihre jahrtausendealte Rolle als Projektionsfläche für alle Übel der Welt verloren hätten. Die Botschaft aus Pittsburgh ist glasklar.

Die Fähigkeit zu hassen ist ein anthropologisches Feature, das den Menschen nicht abtrainiert werden kann, ohne sie zu Kretins zu machen. Es ginge darum, den Hass einzuhegen, anstatt ihn anzufachen. Die Zeichen der Zeit deuten aber in die andere Richtung.

Hussen und Hetzen sind Massenleidenschaften, das Internet bietet die Infrastruktur, um sie breitenwirksam auszuleben. Skrupellose Politiker, die die Hassrede als effiziente Produktivkraft nutzen, tun ein Übriges, um den Globus in ein riesiges Hasstreibhaus zu verwandeln. Homo homini lupus, jeder hasst jeden. Eine Welt, die nach diesem Gesetz funktioniert, wird keine sehr schöne Welt sein. (Christoph Winder, 29.10.2018)