Auch im Dieselskandal wird gegen Autohersteller mit Verbandsklagen prozessiert. Das soll in Zukunft in der EU leichter werden.

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Mit der Globalisierung und Digitalisierung steigt das Risiko von Verstößen gegen Verbraucherrechte und der Schädigung vieler Konsumenten – und damit wird der Ruf nach Sammelklagen, die in Österreich nicht möglich sind, lauter.

Zwar haben Massenklagen in den vergangenen Jahren zugenommen, doch sind sie in vieler Hinsicht unbefriedigend. Eine Verbesserung der Rechtslage würde die Umsetzung des Richtlinienentwurfs über Verbandsklagen bringen, den die EU-Kommission im April als Teil ihres "New Deal for Consumers" vorgelegt hat.

Geplant ist, dass "qualifizierte Einrichtungen" Unternehmen klagen können, wenn diese gegen bestimmte, aufgelistete EU-Rechtsvorschriften (derzeit 59) verstoßen und damit den Kollektivinteressen der Verbraucher schaden oder schaden können.

Der Konsument ist weder klageberechtigt noch am Verfahren beteiligt. Dies entspricht der bisherigen Verbandsklage in Österreich, die nur von bestimmten Verbänden – u. a. Arbeiterkammer und Verein für Konsumenteninformation (VKI) – erhoben werden kann.

Mindestkriterien

Die Zahl klagslegitimierter Verbände wird zunehmen: Neben Verbraucherschutzorganisationen und unabhängigen öffentlichen Stellen können andere Einrichtungen auf ihr Ersuchen von einem Mitgliedsstaat benannt und in ein öffentliches Register eingetragen werden, sogar ad hoc eingerichtete, nur für eine bestimmte Klage benannte Stellen, wenn sie die Kriterien erfüllen.

Die Richtlinie schreibt dafür Mindestkriterien vor: ordnungsgemäße Errichtung, Gemeinnützigkeit und ein legitimes Interesse an der Einhaltung der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften.

Klagt die Einrichtung auf Entschädigung, ist sie verpflichtet, bei den Gerichten oder Verwaltungsbehörden eine ausreichende finanzielle Ausstattung nachzuweisen und die Herkunft der Mittel allgemein und hinsichtlich der konkreten Klage offenzulegen. Dritte Finanzierer, z. B. Prozessfinanzierer, dürfen keinen Einfluss auf die Klage nehmen und diese nicht zum Vorgehen gegen Mitbewerber nutzen. Ist die richtlinienkonforme Finanzierung nicht gesichert, kann der Einrichtung die Klagebefugnis verweigert werden.

Die Mitgliedsstaaten werden ein Verfahren zur Benennung und Kontrolle der Einrichtungen sowie zur Regulierung der Finanzierung einrichten müssen. Dies kann komplex sein und erfordert ausreichende personelle und fachliche Ausstattung. Wer dafür in Österreich zuständig sein wird, ist noch unklar.

"Punitive damages"

Bisher können Verbände nur auf Unterlassung klagen, zukünftig auch auf Abhilfemaßnahmen zugunsten der Verbraucher wie Entschädigung, Preisminderung, Vertragskündigung und Kaufpreisrückzahlung. Damit entfiele die Notwendigkeit der Abtretung der Ansprüche der Verbraucher an den Verband.

Daneben würde eine Form von "punitive damages" eingeführt: Wenn Verbraucher so geringe Schäden erlitten haben, dass es nicht praktikabel ist, sie auszuforschen und zu entschädigen, soll das Unternehmen dennoch zu einer Entschädigung verurteilt werden können, die einem dem Verbraucherschutz dienenden Zweck zugeführt wird.

Um Missbrauch vorzubeugen, muss geregelt werden, wohin solche Entschädigungen fließen und wie das kontrolliert wird. Ein weiteres Novum ist, dass im Abhilfeverfahren das Gericht die Streitteile auffordern kann, einen Vergleich zu schließen, den es dann auf Rechtmäßigkeit und Gerechtigkeit prüft.

Unternehmen können verpflichtet werden, Beweismittel vorzulegen, wobei die Einrichtung diese nicht spezifizieren muss; es genügen der Hinweis und die Angabe, dass diese sich in der Kontrolle des Unternehmens befinden. Es bedarf daher der Festlegung der Grundsätze der Prüfung, ob ein Antrag berechtigt oder überschießend ist.

Neuerungen

Herausfordernd wird der Schutz von vertraulichen Information und Daten. So sollte sichergestellt werden, dass Verbraucherdaten nur für das Verfahren verwendet werden.

Die Mitgliedsstaaten können wählen, ob von Klagen auf Abhilfemaßnahmen nur jene Verbraucher erfasst sein sollen, die ein Mandat erteilen (Opt-in), oder alle. Sollte sich Österreich für ein Opt-in entscheiden, wäre es besonders wichtig, die Information der Verbraucher zu regeln, damit diese von der Klage und dem Ergebnis erfahren, um ihre Entschädigung zu fordern oder selbst zu klagen.

Umzusetzen ist jedenfalls, dass eine Verbandsklage die Verjährung für alle betroffenen Verbraucher unterbricht; diese können somit das Ergebnis abwarten, ohne ihre Ansprüche zu verlieren.

Die Umsetzung der Richtlinie würde eine Vielzahl an vor allem verfahrensrechtlichen Neuerungen bringen. Bei aller Kritik ist der Entwurf besser und der Rechtssicherheit dienlicher als die jetzige Situation bei Massenverfahren. Es ist zu hoffen, dass Österreich die Gelegenheit nützt, Sammelklagen generell und nicht nur bei Verstößen gegen bestimmte EU-Vorschriften einzuführen. (Daniela Karollus-Brunner, 30.10.2018)