Unternehmen, die als sogenannte Plattformen mittels digitaler Wertschöpfungsketten große Gewinne erarbeiten und ziemlichen Einfluss auf unsere demokratischen Verhältnisse nehmen – als Beispiele werden immer wieder Facebook, Google, Amazon, aber natürlich auch kleinere Unternehmen der Sharing Economy wie Uber und Airbnb genannt –, stehen im Fokus der medialen Debatte. Deren nicht zu leugnende Leistungen für die Gesellschaft, wie etwa Zugang zur Öffentlichkeit, potenziell unendliche Informationsvielfalt, Anpassung an Nutzerinteressen werden folgenden medienethisch wie demokratiepolitisch hoch relevanten Gefahrenquellen gegenübergestellt, wie bereits von Florian Saurwein im Blogbeitrag "Regulierung von Internet-Plattformen: Gut gemeint oder gut gemacht?" erwähnt:

Meinungsverzerrende Propaganda durch Fake News und Social Bots, manipulative Online-Werbung, Filterblasen, Hate Speech, Reichweite nicht durch Qualität, sondern Algorithmen (Klickökonomie), Monopolisierung und Oligopolisierung verschiedener Serviceleistungen und daraus resultierende Abhängigkeit von Content-Produzenten und Konsumenten von wenigen Plattformen und nicht zuletzt die perfektionierte Nutzung von persönlichen Userdaten für personalisierte Werbung und ein Konkurrenzkampf um Werbeeinnahmen, den traditionelle Medien gegen digitale Plattformen und Social Media nur verlieren können (mit entsprechenden Folgen für teuren Qualitätsjournalismus).

So weit so schlecht, sagen die Pessimisten und werfen bei der Frage der Unternehmensverantwortung allzuschnell mit dem Hinweis das Handtuch, dass den ökonomischen Effekten (Netzwerkeffekte, Konzentrationstendenzen, Lock-in-Effekte et cetera) mittels ethischer und politischer Maßnahmen nicht beizukommen sei. Gegen mehr "Regulierung" durch die Plattformen selbst könne aber auch, so Saurwein im oben erwähnten Blogbeitrag, sprechen, dass zentrale technische technische Lösungen den kontextuellen Zusammenhang nicht kennen, oder (etwa Satire) oder die Meinungsfreiheit gefährden. Oft wolle man auch nicht zu viel Macht in die Hände der Plattformbetreiber legen.

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Foto: REUTERS/Paulo Whitaker

Regulierung als Selbstregulierung?

Nun, diese Punkte sind gewichtig: Regulierung als Selbstregulierung oder Fremdregulierung alleine können uns hier womöglich nicht weiterhelfen. Zudem sehen sich die in Rede stehenden Unternehmen als Technologieunternehmen, nicht als Medienunternehmen, und brauchen somit aus ihrer Sicht nicht an Medienregulierungsmaßnahmen teilnehmen; weder gelte Medienrecht für sie (Fremdregulierung), noch Ethik-Kodizes wie jener des österreichischen Presserats (Selbstregulierung). Ich möchte daher zum wiederholten Male den Gedanken der Ko-Regulierung einbringen und mit der Debatte um CSR (Corporate Social Responsibility) verknüpfen. Wenn wir diese Plattform-Unternehmen in einen größeren medien- und unternehmensethischen Diskurs einspannen wollen, und dies bislang an der Freiwilligkeit medienethischer Verpflichtung scheitert – ausgenommen seien jene Anstrengungen, die die Unternehmen beispielsweise zur Entdeckung und Löschung komplett unethischen Contents oder zur Moderierung/Kuratierung von Foren und Austauschplattformen auf sich nehmen –, sollten wir über verstärkte Ko-Regulierungsmaßnahmen – der Staat nennt Bereiche, die reguliert gehören, die Unternehmen entscheiden selbständig, wie sie das machen – nachdenken. Im folgenden finden sich hierzu einige Anregungen.

Die sogenannte "soziale Verantwortung" von Unternehmen wird in einer mittlerweile schon sehr langen Debatte der CSR (Corporate Social Responsibility) thematisiert und findet sich ja vielerorts auch als medial und politisch verwendetes Schlagwort. Auf den ersten Blick leidet CSR an derselben vermeintlichen Schwäche wie die oben angesprochenen Maßnahmen der Selbstregulierung: sie ist freiwillig. Es gibt freilich viele Anregungen und formale Vorgaben, viele lobenswerte Versuche der Vereinheitlichung im Reporting (siehe zum Beispiel die Global Reporting Initiative GRI), aber kein Gesetz zwingt Unternehmen, CSR ernsthaft zu betreiben – dass es viele Unternehmen trotzdem versuchen und teilweise sehr umfassende Anstrengungen hierfür unternehmen, ist unbenommen –; die "triple bottom line", also das Reporting ökonomischer, ökologischer und sozialer Kennzahlen, bleibt eine ethische Fleißaufgabe. Gleiches gilt für das Stakeholder-Management: empirische Erhebungen bei österreichischen Unternehmen zeigen, dass dieses Konzept, das eigentlich eine Operationalisierung von CSR auf Unternehmensseite bedeuten würde, nicht durchgehend im Managementalltag Anklang findet. Eine umfassende CR (Corporate Responsibility) beinhaltet aber mehr als den (wichtigen) Teil der CSR: hier müssen zumindest zwei weitere Aspekte der Verantwortung mitgedacht werden, nämlich Corporate Governance und Corporate Citizenship. Der Vorteil dieser Betrachtungsweise wird nach einer kurzen Definition hoffentlich klar.

Corporate Governance ist die ökonomische, rechtliche und ethische Selbststeuerung von Unternehmen und wurde ursprünglich im Zuge der vielen Unternehmensskandale vor und nach der Wirtschaftskrise stark nachgefragt. Beispiele wie die "OECD Principles of Corporate Governance" (1999, 2004), der "Sarbanes-Oxley Act" (2002), der "Dodd-Frank Act" (2010), sowie ähnliche Richtlinien in Österreich ("Österreichischer Corporate Governance Kodex") und Deutschland ("Deutscher Corporate Governance Kodex") zeigen die Richtung: Hard Law und Soft Law sollen die Unternehmen anreizen, im Sinne der Shareholder, aber auch der Stakeholder zu agieren. Im Vergleich zu CSR geht es hier also um eine Managementethik und den Bezug zu verschiedenen Anspruchsgruppen, was ein engeres Verständnis von Verantwortung meint. Corporate Citizenship wiederum beinhaltet in dem Sinne ein weiteres Verständnis von Verantwortung, als hier die Pflichten einer Unternehmung als "Wirtschaftsbürger" angesprochen sind. Unternehmensstrategien müssen in diesem Verständnis vor Beginn der Content-Produktion, also vor der Wertschöpfungsaktivität, legitimiert werden. Der Markt und der Wettbewerb in einer Branche sind hier nicht nur vorgegeben, sondern sollen durch die Unternehmen auch politisch mitgestaltet werden.

Ethische Vorkehrungen

Wir sehen nun den Unterschied zur reinen CSR-Betrachtungsweise: Während Corporate Governance vor allem mit der Machtverteilung innerhalb und außerhalb der Unternehmen und den jeweiligen (auch ethisch begründeten) Anreizsystemen zu tun hat und CSR entlang der eigentlichen Wertschöpfungskette der Unternehmen ansetzt, will Corporate Citizenship die Pflichten außerhalb der Wertschöpfung definieren, zum Beispiel bei der Verantwortung für ein funktionierendes Bildungswesen und den demokratischen Diskurs in einer Gesellschaft. Nur diese gesamthafte Betrachtungsweise von Verantwortung hilft uns, die Probleme der Freiwilligkeit und der Selbstregulierung zu umgehen, denn sie umfasst Fremdregulierungsanteile (in der Corporate Governance) und eigenverantwortliche Steuerung (in der CSR und beim Corporate Citizenship), vor allem aber auch die Idee der Ko-Regulierung: Der Sarbanes-Oxley Act beispielsweise legt fest, dass Unternehmen bestimmte ethische Vorkehrungen treffen müssen, um im Falle eines moralischen Fehlverhaltens nicht die gleichen strengen gerichtlichen Strafen ausfassen zu müssen wie Unternehmen, die gar keine Maßnahmen aufweisen können. Welche Maßnahmen genau ergriffen werde, können Unternehmen optimalerweise durch ihr Branchenwissen und Expertentum selbständig entscheiden.

Wenn wir also über eine künftig mögliche und verstärkte "Regulierung" von Plattformunternehmen sprechen, sollten wir folgendes bedenken:

  • Die Verantwortung von Facebook, Google, Amazon und Co ist eine umfassende: sie beinhaltet zunächst die Legitimation der Geschäftsstrategien vor dem Markteintritt. So könnte man auch in Frage stellen, warum die oft hinter den Geschäftsmodellen steckenden Algorithmen nicht transparent gemacht werden. Es wäre unternehmensethisch betrachtet besser, wir alle wüssten, was diese Algorithmen mit unseren Daten machen und hätten hier Mitspracherechte (ähnlich argumentiert auch Ingrid Brodnig auf ihrem Blog).
  • Sie beinhaltet aber auch die Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette der Medienproduktion, -distribution und -verteilung, denn sie sind nicht "nur" Technologie-, "sondern immer auch "Medien"-Unternehmen. Sie müssen somit Anreize zur Einhaltung diskursiv erarbeiteter Normen auch an allen Stellen dieser Kette ansetzen, sei es bei der Auswahl des Contents, der Moderation/Kuratierung oder der Distribution über ihre Plattformen.
  • Und sie beinhaltet zuletzt eine Mitarbeit an Branchennormen außerhalb der Wertschöpfungstätigkeit, wenn es zum Beispiel um verbindliche Kodizes oder neue politische/steuerliche/rechtliche Rahmenbedingungen geht.

Es kann funktionieren!

Diese umfassende CSR (eigentlich aber: Corporate Responsibility) soll freiwillige und fremdgesteuerte (rechtliche) Elemente enthalten und könnte hinkünftig stärker vom Gedanken der Ko-Regulierung getragen sein, also: Anreize von außen, aber Selbstbestimmung bei der Detailumsetzung. Beispiele aus anderen Bereichen – für den Bereich der finanziellen Gebarung eines Unternehmens kann der erwähnte Sarbanes-Oxley Act als Beispiel gelten, für den medizinischen Bereich Teile der Pharma-Branche-Regulierung – zeigen, dass dies funktionieren kann. Denn was bliebe uns zuletzt, um den demokratischen Diskurs nicht vollends durch die zu Beginn beschriebenen Mechanismen zerstören zu lassen? Vielleicht eine Behörde (siehe für Teile der Medien die KommAustria) mit weitreichenden Regulierungsmöglichkeiten. Ob dies im Sinne der innovativen und für die moderne Gesellschaft und Wirtschaft durchaus wichtigen Plattformunternehmen ist, steht aber in Frage. (Michael Litschka, 30.10.2018)