Wer ist Jair Bolsonaro?

Der 63-jährige ehemalige Fallschirmjäger ist keineswegs ein Quereinsteiger in der brasilianischen Politik. Seit 27 Jahren sitzt er als Abgeordneter im Parlament in Brasilia, davor war er Stadtrat in Rio de Janeiro. Der Schweizer "Tagesanzeiger" verglich ihn so wie viele andere Zeitungen mit Donald Trump. Dieser sei im Vergleich zu Bolsonaro eine "Verkörperung von Weisheit, Ausgeglichenheit und Zurückhaltung". Der Vater zweier Söhne – "lieber tot als schwul" – und einer Tochter – ein "Betriebsunfall" – gilt nicht nur als Rassist, Sexist, Fan von Folter und homophob, er stellt diese Attribute selbst mit Stolz zur Schau.

Eine Militärdiktatur ist für Bolsonaro, dem am Sonntag mit 55 Prozent der Stimmen demokratisch gewählten Präsidenten, eine echte Alternative für Brasilien. Was für Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel die ikonische Raute, ist für den designierten brasilianischen Staatschef die Pistolengeste, am liebsten mit den Fingern beider Hände. Während des Wahlkampfs wurde Bolsonaro Opfer eines Messerattentats. Aufgehalten hat es ihn nicht.

DER STANDARD

Warum wählten die Brasilianer den Ultrarechten Bolsonaro?

Die Brasilianer wollten wohl einen Wandel – und zwar um jeden Preis. In den letzten fünf Jahren jagte ein Korruptionsskandal den anderen, sackte die Wirtschaft des Landes ab, obwohl sie noch vor zehn Jahren so gut dastand wie lange nicht mehr. In den letzten Jahren entstand in Brasilien eine tiefe politischen Vertrauenskrise.

Der beliebte ehemalige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sitzt seit sechs Monaten wegen Korruption und Geldwäsche im Gefängnis. Er wurde in einem reinen Indizienprozess verurteilt. Die Ablehnung seiner Arbeiterpartei, die Brasilien seit Lulas Wahl im Jahr 2002 und bis zur staatsstreichartigen Absetzung seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff regierte, hat in Brasilien ein extremes Ausmaß angenommen. Bolsonaro nutzte die Proteststimmung geschickt aus. Der Wahlkampf wurde außerdem mit Fake-News und manipulierten Massenmedien geführt. Starken Rückhalt hat Bolsonaro auch in der mächtigen Agrarlobby und bei den Investoren, die sich von ihm eine harte Hand gegen Korruption erwarten.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Welt stellt sich auf Jair Bolsonaro ein.
Foto: Ricardo Moraes/Pool Photo via AP

Ist Brasilien wirklich so korrupt?

Im Korruptionsindex von Transparency International steht Brasilien derzeit auf Platz 96 von 180. Im Vergleich zum Vorjahr verlor das Land somit ganze 17 Plätze und rangiert hinter Ländern wie Ruanda, Burkina Faso und Saudi-Arabien. Die Carwash-Affäre, die letztlich auch zu Lulas Verhaftung führte, und ihre Auswirkungen haben zu dem Absturz geführt, heißt es.

Wie steht es um die Wirtschaft in Brasilien?

Während die Aktienmärkte weltweit unter Druck stehen, hat der brasilianische Index Bovespa im Oktober als einziger weit und breit deutlich zugelegt. Und doch stehen in der achtgrößten Volkswirtschaft der Welt 13 Millionen Brasilianer ohne Job da. Bolsonaros Favorit für das Amt des Finanzministers, Paulo Guedes, hat einen wirtschaftsfreundlichen Plan, mit dem er das Land aus der jahrelangen Rezession führen möchte: Durch die Privatisierung großer Staatsunternehmen wie Petrobras will Guedes 400 Milliarden Dollar einnehmen – und den privaten Konsum ankurbeln. Während seiner Zeit als Abgeordneter hat Bolsonaro freilich konsequent gegen Privatisierungen gestimmt.

Wie kommentiert das Ausland die Wahl?

Reaktionen europäischer Staats- und Regierungschefs stehen noch weitgehend aus. Bisher haben vor allem seine künftigen Kollegen aus Lateinamerika Bolsonaro zum Wahlsieg gratuliert – überraschend einhellig. Argentiniens konservativer Präsident nannte das Ergebnis einen "Triumph", Venezuelas Linksautokrat Nicolás Maduro überbrachte seine "Gratulation an das brasilianische Volk". Doch auch US-Präsident Donald Trump freut sich laut seiner Sprecherin Sarah Huckabee Sanders mit Bolsonaro und gelobte, "Seite an Seite zu arbeiten, um das Leben der US-Amerikaner und Brasilianer zu verbessern".

Trump gratulierte dem neuen Präsidenten per Telefon. Auf Twitter kündigte er an, dass die zwei Länder im Bereich Handel, Militär und "allem anderen" enger zusammenarbeiten wollen.

(Florian Niederndorfer, Manuela Honsig-Erlenburg, red, 29.10.2018)