Michèle Marchand freut sich nicht über die nichtautorisierte Biografie.

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Sie blickt hinter die Kulissen der Prominenz, öffnet die Alkoven der Paläste – aber wenn es um sie selbst geht, hört der Spaß für Michèle Marchand auf. Auf so manchen ihrer seltenen Fotos hebt "Mimi", wie die Branche sie nennt, drohend den Finger, während ihr rabenschwarzer Blick zu sagen scheint: "Dich kriege ich auch noch."

Dass es von der Klatschjournalistin nur wenige Bilder gibt, ist doppelt seltsam. Denn Mimi bewegt sich auch in den Blitzlichtgewittern der französischen Politik. Bei Nicolas Sarkozy saß sie oft in der ersten Reihe, und nun begleitet sie die Präsidentengattin Brigitte Macron bei öffentlichen Anlässen. Sie managt die dreistesten Fotografen, aber selbst will sie nicht in Erscheinung treten.

Die 71-Jährige zieht die Fäden lieber im Hintergrund. Das bekamen auch drei Pariser Journalisten zu spüren, die – so deren Diktion – eine Biografie über die "mächtige und gefürchtete" PR-Frau mit dem simplen Titel Mimi herausgegeben haben. Deren Leibfotografen, die sonst im Intimleben der Stars wühlen, schweigen wie ein Grab, sobald sie zu Mimi befragt werden. "Zu heiß. Ihr wisst nicht, worauf ihr euch da einlässt", warnte etwa ein Paparazzo.

"Mimi die Schreckliche"

Bei einem der Biografen, der beim Magazin Le Point arbeitet, wurde eingebrochen. Das Buch erschien trotzdem, versehen mit einem Foto von Marchand hinter einem dossierbeladenen Bürotisch im Élysée-Palast – dem Arbeitsplatz des Staatspräsidenten.

Aufgewachsen ist "Mimi die Schreckliche", wie sie in dem Buch auch genannt wird, als Tochter eines Pariser Coiffeurs und kommunistischen Widerstandkämpfers. Ihre Selfmadekarriere begann sie als Angestellte einer Autogarage. Sie versuchte ihr Glück in Kalifornien, kam zurück nach Paris, entdeckte eine Nische im Nachtleben und zog Bars für lesbische Frauen auf.

Ihre Berufung entdeckte sie 1996, als sie für das Pariser Klatschheft Voici tätig wurde. Nach einem möglicherweise erfundenen Interview mit einem Leibwächter der in Paris verunglückten Prinzessin Diana musste sie abtreten. Als sie eine eigene Bildagentur schuf, kam sie wegen doppelter Rechnungen in Untersuchungshaft, aber bald wieder auf freien Fuß.

Societyklatsch und Politik

Mit ihrem neuen Ehemann, einem Agenten des französischen Nachrichtendienstes, entdeckte und entwickelte Marchand eine neue Sparte der Regenbogenpresse: die Politik. Mit einem Bild der damaligen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal im Badeanzug provozierte sie 2006 einen Eklat in Paris, wo die Privatsphäre heilig war. Später lieferte Mimi die ersten Bilder zu Sarkozys Liaison mit dem Topmodel Carla Bruni. Dass sie auch hinter den Fotos von François Hollande steckte, der seine Geliebte Julie Gayet mit dem Motorroller besuchte, bestreitet sie. Der Paparazzo, der die Bilder nach monatelangem Warten geschossen hat, ist allerdings Mimis Schützling.

Und heute? Laut der nichtautorisierten Biografie hat sich Marchands Agentur Bestimage im Mai 2017 die exklusiven Rechte über das "private Image" des Ehepaares Macron gesichert. Die Herrscherin über einen ganzen Fotografenpulk sucht jeden Donnerstag den Präsidentenpalast auf, um die Macrons imagemäßig zu beraten.

Benalla-Affäre

Laut der Buchenthüllung arrangierte sich Marchand mit dem Élysée-Leibwächter Alexandre Benalla, der Macron kürzlich schwer zugesetzt hatte: Benalla hielt die unabhängigen Fotografen auf Distanz und überließ Mimis Mannen die exklusiven Bilder. Von dem geschassten Sicherheitsmann brachte Bestimage hingegen kein einziges Bild, als die Affäre aufflog.

Dass eine Paparazziagentin das präsidiale Storytelling prägt, passt schlecht zu Macrons Wahlversprechen, er werde sein Privatleben nicht in der Regenbogenpresse ausbreiten. Mimi arbeitet fast nur für Blätter wie Voici, Gala oder Paris-Match. Sie beklagen sich nicht, wenn Macrons Pressefrau Sibeth Ndiaye deklariert, sie stehe "völlig dazu, zu lügen, um den Präsidenten zu schützen". Die großen Zeitungen wie Le Figaro, Le Monde oder Libération werden von Mimi nicht bedient – und von Macron gemieden. Dazu passt, dass Macron das seit de Gaulles Zeiten neben dem Élysée-Hof angesiedelte Büro der Agence France Presse aus dem Palast verbannt hat.

Im inneren Zirkel angelangt

Das passt zusammen: Je weniger Politikmedien direkt aus dem Élysée berichten, desto mehr Einfluss gewinnt die Klatschjournalistin des Élysées. Voller Sarkasmus schreiben die drei Buchautoren Jean-Michel Décugis, Marc Leplongeon und Pauline Guéna, Bestimage sei heute Macrons "beste politische Presseagentur".

Le Monde wundert sich immerhin, dass die "Mata Hari" der Klatschpresse so leicht in den innersten Zirkel von Emmanuel und Brigitte Macron vordringen konnte: "Das Präsidentenpaar hat der Königin der Paparazzi, die lange in den Hinterzimmern der Nachtklubs verkehrte und im Gefängnis war, mit bemerkenswertem Leichtsinn die Tür geöffnet." Die Macht der Bilder kann eben auch blind machen. (Stefan Brändle aus Paris, 30.10.2018)