Wien – Der Dickdarm von Menschen und anderen Säugetieren ist mit all seinen Mikroben einer der dichtestbesiedelten Lebensräume auf der Welt. Durch die schiere Menge an Bewohnern besteht laufend hoher Bedarf am lebenswichtigen Element Stickstoff, das von außen zugeführt werden muss.

Die Vergabe ist mit einem Kommunikationsprozess zwischen Wirt und Darmbewohnern verbunden, berichten Forscher im Fachjournal "Nature Microbiology". Besonders eiweißreiche Kost kann in dieser Kommunikation aber zu "Missverständnissen" führen.

Die Quelle

Stickstoff wird vom Wirt – also uns – vor allem in Form eiweißreicher Nahrungsmittel aufgenommen. Das kann Fleisch sein, aber auch bestimmte pflanzliche Kost, etwa Hülsenfrüchte. 80 bis 90 Prozent davon nehmen Säugetiere, egal ob Alles-, Fleisch- oder Pflanzenfresser, bereits im Dünndarm auf, berichten die Forscher um Lawrence David von der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina.

Erst nach dieser Entnahme kommen die Mikroben im Dickdarm zum Zug. Sie erhalten vom Wirt unter anderem stickstoffhaltige Verbindungen im Schleim, den der Wirt ausscheidet, erklärt Michael Wagner vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien, der ebenfalls zum Forschungsteam gehörte.

Auf diese Weise kann der Wirt nicht nur kontrollieren, wie viele Mikroben sich im Dickdarm aufhalten können, sondern auch welche. Bestimmte Populationen wie die für die Verdauung sehr hilfreichen Bakteriodeten profitieren nämlich besonders von den Stickstoff-Spenden und vermehren sich stärker als andere, wenn der Wirt damit spendabel ist.

Keine Einbahnstraße

Die Bakterien sind aber keine hilflosen Almosenempfänger, sie fordern durchaus die Deckung ihrer Stickstoff-Bedürfnisse ein, fand das Forschungsteam heraus. Irgendwie können sie dem Darm mitteilen, wie viele von ihnen er füttern muss, so Wagner. Es gebe also eine Möglichkeit der Kommunikation zwischen dem Wirt und seinen Mikroben.

Besonders eiweißreiche Nahrung würde das System aber stören und sei deshalb als Diät kontraproduktiv, erklärte der Mikrobiologe. Damit mache man nämlich die Mangelware Stickstoff zu einem allzeit verfügbaren Gut und der Darm verliert eine Kontrollmöglichkeit über die in ihm lebenden Mikroben. In Folge vermehren sich auch nicht ganz so nützliche Bakterien. In der Folge können sich schädliche Stoffe im Dickdarm anreichern.

Den Zusammenhang von proteinreichen Diäten und Verdauungsproblemen habe man schon früher beobachtet, nun kenne man erstmals den Grund. Generell konnte man mit dieser Studie erstmals nicht nur Korrelationen, sondern auch die ursächlichen Mechanismen erkennen, sagt Wagner. Die verschiedenen Mikrobiomgruppen des Departments für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Uni Wien wollen künftig gemeinsam mit Kollegen der Medizinischen Universität Wien diese Mechanismen noch genauer erkunden – auch im Hinblick auf klinisch relevante Ergebnisse. (APA, red, 30. 10. 2018)