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Der rechtsextreme Bolsonaro bekam auch viel Zuspruch von evangelikalen Christen.

Foto: Reuters / Pilar Olivares

Große Gesten und öffentliche Symbolik beherrscht Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro in Perfektion: ein Gebet mit einem evangelikalen Pastor, ein Schwur zu Gott und der Dank an diejenigen, die ihm zu seinem Wahlsieg verholfen haben – erzkonservative, streng evangelikale Wähler.

Danach diktiert er seinen Anhängern in militärischem Stakkato die Marschrichtung für Brasiliens Zukunft: Das Land wolle er wie eine "große Armee" führen, kündigt der 63-jährige Exfallschirmspringer an. Freiheit und Sicherheit werde er wieder herstellen. "Wir werden das Schicksal Brasiliens verändern", ruft er unter Beifall.

Historische Zäsur

Eine Aussage, die seinen Gegnern das Blut in den Adern gefrieren lässt. Sie befürchten den Sturz der Demokratie. Die dunkle Vergangenheit der Militärdiktatur liegt erst 33 Jahre zurück und könnte sich mit Bolsonaro wiederholen. Die Wahl des rechtsextremen Politikers zum Präsidenten ist eine Zäsur in der brasilianischen Geschichte.

DER STANDARD

Am Wahlabend wird das Wohnhaus von Bolsonaro im noblen Stadtteil Tijuca in Rio de Janeiro zum Wallfahrtsort für Tausende seiner Anhänger. Aber die Stimmung ist angespannt. Überall im Land kommt es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Unterstützern und Gegnern Bolsonaros. Die Gewalt auf der Straße ist nur ein Vorgeschmack auf das, was Brasilien in den kommenden Wochen bevorstehen könnte.

Schon jetzt beklagen soziale Bewegungen, dass ihre Mitglieder verfolgt und angegriffen werden. Kirchliche Organisationen haben Angst, dass ihre ausländischen Mitarbeiter ausgewiesen werden. "Bolsonaro sät Hass unter der Bevölkerung und bringt die Armen gegeneinander auf", sagt der bekannte Soziologe und Autor Jessé de Souza.

Gefängnis für Gegner

Unklar ist, wie viele seiner Ankündigungen aus dem Wahlkampf Bolsonaro tatsächlich umsetzt. Hasserfüllt hat er "Säuberungen" angekündigt. Den unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei will er in Haft bringen. Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva, der aufgrund von Indizien zu einer Gefängnisstrafe wegen Korruption verurteilt wurde, will er im "im Gefängnis verrotten lassen".

In Universitäten wurden Studenten bei Veranstaltungen, die sich kritisch mit der Zukunft der Demokratie auseinandersetzten, von Polizisten auseinandergetrieben. Angesehene Hochschullehrer wollen keine Interviews mehr geben, auch nicht ausländischen Medien. Zu groß ist ihre Angst vor Vergeltungsmaßnahmen.

Evangelikale Unterstützer

Bolsonaro konnte sich vor allem auf die Stimmen der Ober- und Mittelschicht verlassen, aber auch die Mehrheit der evangelikalen Wähler aus meist ärmeren Schichten stimmte für ihn. Sie alle machen die 13 Jahre Regierungszeit der linken Arbeiterpartei für die schwere Rezession, den größten Korruptionsskandal "Lava Jato" (Schnellwäsche) und die ausufernde Kriminalität verantwortlich. Die simplen Versprechen Bolsonaros für eine bessere Zukunft stoßen bei ihnen auf offene Ohren.

"Die zunehmende Armut ist nicht das Resultat der Korruption. Das ist eine offene Lüge", sagt de Souza. "Das Land ist ärmer geworden, vor allem wegen des Preisverfalls für Erdöl und andere Rohstoffe, die Brasilien exportiert. Die Korruption ist heftig zu kritisieren, sie ist aber nicht der Grund für die Wirtschaftskrise."

Bergbau im Amazonas

Die Korruption habe das Land drei Milliarden Reais (rund eine Milliarde Euro) gekostet, so de Souza. Doch allein die Banken hätten voriges Jahr 200 Milliarden Reais Gewinn gemacht. Bolsonaro habe "auf ignorante Weise die Stimmung im Volk ausgenutzt, das die Gründe für seine eigene Armut nicht kennt".

Doch auch Europa wird Bolsonaros Politik zu spüren bekommen. Dieser hat angekündigt, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, und will Schutzflächen im Amazonas für den Bergbau freigeben. Damit stellt er einen Freifahrtschein für die massenhafte Abholzung des Regenwaldes aus. Mit US-Präsident Donald Trump suchte Bolsonaro den schnellen Schulterschluss. Als einer der ersten Regierungschefs rief Trump an und gratulierte zum Wahlsieg. Ein Gespräch unter Freunden sei es gewesen, verkündete Bolsonaro danach. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 29.10.2018)