Lauthals singen "Ich bin verliebt in die Lieeebeee!" dient nur bedingt als Ausrede für Seitensprünge. Graf Zedlau muss sich in "Wiener Blut" aus so mancher Affäre herausreden.

Andrea Peller

Wien – Der Raum ist klein, bietet aber Platz für große Leidenschaft: Im Bronski & Grünberg Theater arbeiten Menschen, die ihr Geld eigentlich anderswo verdienen, in weiteren Ensembles und Theatern. Die vielleicht kleinste Bühne Wiens, in Nachbarschaft zum Schauspielhaus gelegen, ist seit ihrer Eröffnung 2016 Sinnbild eines Herzensprojekts: Kassa und Bar wirken wie ein erweitertes Wohnzimmer, das Budget kommt mangels Kulturförderung teils über Crowdfunding zusammen.

Zugeschrieben hat sich das Bronski selbst den Begriff "Progressiv-Boulevard", und das trifft es auf den Punkt: Hier wird eine wilde Ode an den Trash und die gute Unterhaltung gefeiert, die ebenso durch Slapstick wie scharfe Zungen besticht.

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Wiener Blut, wunderbar frei nach Johann Strauß von Ruth Brauer-Kvam inszeniert, wird in eine glitzernde Achtzigerjahre-Klamotte gesteckt (Kostüme von Katharina Kappert): Da sind Vokuhila-Perücken mit Modern-Talking-Flair und poppige Synthie-Sounds nicht weit. Das mag nach Klamauk klingen, ist aber cleverer Spaß, dessen Wortwitz gern in derbstem Wienerisch losbricht. Ohne Angst vor Verlusten spielen, singen, flirten und tanzen sich Johannes Huth, Julia Edtmaier, Salka Weber und weitere durch die Operette: Der Denver-Clan lässt grüßen, Falco sowieso. Fin de Siècle und die 80er, Operette und Seifenoper, alter Glanz und Popkultur walzen im Bronski im Engtanz.

Glamour und Glanzlosigkeit

Auch in Titanic reißen die Pointen nicht ab: In rasantem Tempo karikiert das Ensemble unter Dominic Oleys Regie den Kapitalisten, den Kapitän, die betrogene und die betrügende Frau, die reiche Tochter Rose und den armen Arbeiter Jack. Die Bühne von Kaja Dymnicki, nur scheinbar ein einfacher Guckkasten, mutiert durch wenige Tricks und changierende Lichtstimmung von Glamour zu Glanzlosigkeit und von Stockwerk zu Stockwerk im Bauch des "Weltrekord-Schiffs", dessen Passagiere Michael Frayns Nacktem Wahnsinn entsprungen sein könnten. An diesem Abend soll die Titanic den Geschwindigkeitsweltrekord brechen, doch – Vorsicht, Spoiler! – es kommt anders. Stattdessen sprühen zwischen Wortwitz, Situationskomik und Sozialkritik die Funken, und James Camerons Filmvorbild wird das Pathos ausgetrieben.

Die dritte Spielzeit des kleinen Theaters startet mit Wiederaufnahmen, im Winter folgen Premieren von Pension Schöller, Tarzan, Onkel Wanja und Der Exorzist. Man darf gespannt sein. Prognose: Es könnte lustig werden. Wie erfrischend: Theater, das sich selbst nicht zu ernst, den Spaß an der Sache aber sehr ernst nimmt. (Lili Hering, 30.10.2018)