Die Papiere von Meinl European Land stürzten 2008 ins Bodenlose. Ein interner MEL-Prüfer konstatierte 2006 gravierende Missstände in der Gesellschaft.

Foto: APA/Hochmuth

Wien – Die Frage, wie die Staatsanwaltschaft Wien mit der Causa Meinl / Meinl European Land weiter verfahren wird, ist auch zehn Jahre nach Beginn der Ermittlungen offen. Derzeit ist die Behörde laut ihrer Sprecherin dabei, den Abschlussbericht der Soko Meinl zu studieren, danach werde feststehen, ob noch weitere Recherchen nötig sind. Wenn nicht, wird die StA ihren Vorhabensbericht (Anklageerhebung oder Einstellung des Verfahrens) erstellen.

Im Reich der Meinl Bank, in dem die Causa rund um den Rückkauf von Zertifikaten der Ostimmobiliengesellschaft Meinl European Land (MEL) spielt, herrschten 2006, 2007 interessante Zustände. Etwa in Tschechien, Ungarn oder Russland.

"Erhebliche Mängel" festgestellt

Im Jahr 2006 stellte der interne Revisor der MEL "erhebliche Mängel bei der Ordnungsmäßigkeit des gesamten Rechnungswesens" der Standorte in Budapest und Prag fest, wie die Ermittler in ihrem Abschlussbericht festhalten. Seinen Bericht übermittelte der Revisor an seine zuständigen Vorgesetzten bei der MEL und an Prüfer. Einer von ihnen hielt in einer Antwortmail, betreffend die "gravierenden Schwachstellen", Konsequenzen der Wirtschaftsprüfer für wahrscheinlich: "Es würde mich (...) sehr erstaunen, wenn die KPMG als Konzernprüferin der MEL einen solchen Zustand weiterhin tolerieren würde." Er nehme an, dass "die Ordnungsmäßigkeit des gesamten Rechnungswesens nicht gewährleistet" sei. Auch einer seiner Kollegen teilte die Kritik des Revisors. Er könne dessen Report auf Basis eigener Eindrücke nur zustimmen, heißt es in seiner E-Mail.

"Extrem hohes Risiko" von Betrügereien in Russland

Schlechte Nachrichten, die auch Julius Meinl V. erreichten. Er war bis Ende 2007 im Vorstand der Bank, seit Anfang 2008 ist er ihr Aufsichtsratschef. Einer seiner Manager schrieb ihm im März 2006, es scheine, dass "die Führung von Prag und Budapest in Bezug auf Buchhaltung und EDV aus dem Ruder" laufe, da hätten sich seine Befürchtungen bestätigt, die er Julius Meinl V. ja bereits mitgeteilt hätte.

Damit nicht genug, taten sich laut Revisor auch Probleme bei der Akquisition von Immobilien in Russland auf. Die zuständigen Kollegen hätten Sorge, dass dort große Akquisitionen ohne Risikomanagement und -kontrolle getätigt würden. Zudem gebe es ernsthafte Bedenken wegen mehr als 100-prozentiger Budgetüberschreitungen. Auch sei die Wahrscheinlichkeit von Betrügereien angesichts des "ungenügend kontrollierten" russischen Managements extrem hoch. Der Revisor teilte mit, dass er die Sache geprüft habe und ebenso sehe.

Dienstverhältnis gelöst

Um Schaden von Vermögen und Ressourcen der Gruppe abzuwenden und alle Umstände rund um die Akquisitionen in Russland aufzuklären, empfahl er dem MEL-Aufsichtsrat dringend eine Managementbewertung – und, wenn nötig, den Einsatz einer Taskforce. All das berichtete der Mann am 20. September 2006 einem MEL-Aufsichtsratsmitglied, der den Report "vertraulich" einem MEL-Chef sandte. Im Bericht würden "die Alarmglocken" geläutet, er hoffe, dass der MEL-Manager die Situation seriös und offen abklären "und nicht den Boten der Botschaft weiter in Ungnade stürzen" werde. Warum "weiter"? Weil Julius Meinl V. laut späterer Einvernahme des beschuldigten Exaufsichtsratsmitglieds versucht hätte, "unseren internen Prüfer (...) zu kündigen". Er habe das "als Einmischung in unsere Angelegenheiten" zurückgewiesen. Mit mäßigem Erfolg.

Denn: Der MEL-Aufsichtsrat löste das Dienstverhältnis mit dem Revisor per Ende Oktober 2006 auf. Die MEL hatte danach für ein paar Monate gar keinen internen Revisor. Und der Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat zeigte sich überzeugt, dass Akquisition und Projektsuche in Russland "exzellent funktionieren".

Von all den Problemen erfuhren die MEL-Anleger laut Soko Meinl nie. (Renate Graber, 31.10.2018)