Was bestimmt eine Gegend oder eine schwer fassbare Gemütslage? In Sophia Antipolis, Filmtitel und -schauplatz zugleich, scheint der Sommer stillzustehen. Die Sonne brennt erbarmungslos. Grillen zirpen ohne Lebensmut – oder ist das nur Einbildung?

Virgil Verniers Filmvignetten, übergangslos aneinandergefügt, lassen den Alltag im Technologiepark an der französischen Riviera erkennen: Da sind die 18-Jährigen, die im Plauderton eine Brustvergrößerung beim Chirurgen besprechen. Eine Frau mittleren Alters, einsam bis auf den seltenen Besuch ihres Stiefenkels. Da ist die verschwörungstheorielastige Sekte, der sie sich anschließt und einen Abend lang der Einsamkeit mit einer Frau entflieht, deren Tochter verschwunden ist. Dort der Mann, der in einer selbsternannten Bürgerwehr landet.

Zu zweit der Einsamkeit in "Sophia Antipolis" entgleiten.
Foto: Kazak Productions

Zwar hängen die von Laiendarstellern gespielten Geschichten zusammen, doch ihre Bedeutung wird nicht erzwungen spannungsfördernd erzählt: Verniers Porträt dieser Gegend wirkt nie aufdringlich, eher anbietend.

Stadt der verlorenen Träume

Sophia Antipolis, vor rund 50 Jahren nach dem Modell des Silicon Valley erbaut, scheint ein Ort zu sein, an dem man sich dem Zusammenleben gut entziehen kann. "A place where dreams should come true" heißt es in der Synopsis, das Scheitern der Träume ist somit schon Programm. Vernier zeigt Aggression und Abgeschlagenheit, Nostalgie und Poesie in Fragmenten – wie schon in Mercuriales (2014) entzieht sich der Franzose narrativen Konventionen. Konzipiert als Ort der Begegnung, wird Sophia Antipolis bei ihm zum Schauplatz der Angst vor dem Fremden: In statischen Bildern wird das Aufkommen von Gewalt etwa anhand einer verbrannten Frauenleiche destilliert.

Trailer zu "Sophia Antipolis".
Cine maldito

Ein Ort, der sich Begriffen wie "Utopie" und "Dystopie" entzieht: Trotz der scheinbar dokumentarischen Darstellung eines Ortes wirkt es viel eher, als sei Sophia Antipolis eine Geisterstadt, die hier, auf 16-mm-Material gebannt, wieder auflebt. Während die Kamera auf einen pinken Himmel mit Feuerball blickt, rezitiert die Offstimme Endzeitszenarien, die von Naturkatastrophen bis zu neoliberaler Vereinnahmung reichen.

Wäre der Film nicht so schön, könnte man glatt meinen, die Welt sei ausschließlich schlecht. (Lili Hering, 31.10.2018)