Nur noch 0,5 Prozent der essbaren Pflanzen werden genutzt. Alte Sorten verschwinden.

Foto: APA / Jörg Sarbach

Seit dem 19. Jahrhundert wurde das Spektrum der für die menschliche Ernährung genutzten Pflanzenarten stark reduziert. Alte Sorten werden vor allem in Industrieländern kaum noch angebaut. Die Agrarbiodiversität, die die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft meint, sinkt. Weltweit liefern laut UN-Welternährungsorganisation heute nur rund 30 Arten etwa 95 Prozent aller pflanzlichen Nahrungsmittel.

Zur Erhaltung der Monokulturen setzen Großkonzerne großteils auf genveränderte Pflanzen und den Einsatz von Pestiziden wie Glyphosat und von Neonicotinoiden. Sie führen zu Lebensraumverlust, manche wirken toxisch auf verschiedene Tierarten. Durch die Übernahme von Monsanto im Juni dieses Jahres wurde Bayer mit rund 27 Prozent Marktanteil zum größten Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln.

Kritik an Erstellung von Studien

Bayer verkauft sein glyphosathaltiges Round-up im Paket mit gentechnisch verändertem Saatgut, das gegenüber dem Unkrautvernichter resistent ist. Siegrid Steinkellner, Leiterin der Abteilung für Pflanzenschutz an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien, sieht das kritisch: "Das führt zwangsläufig dazu, dass immer solche Substanzen eingesetzt werden. Das berücksichtigt nicht das ganze System."

Erst im April verbot die EU drei Neonicotinoide, Bayer legte Berufung ein. Glyphosat darf seit 2017 aber für weitere fünf Jahre verwendet werden. Die Alternative an Methoden werde unterschätzt, sagt Steinkellner: "Wir assoziieren Pflanzenschutz automatisch mit Pestiziden. Landwirte setzen schon lange auch auf andere, umweltfreundlichere Ansätze wie Fruchtfolge oder biologische Kontrolle."

Laut Hermann Bürstmayr, Leiter der Abteilung für Pflanzenzüchtung an der Boku, müsse man den Einsatz von genveränderten Pflanzen dennoch differenziert sehen. Während im Falle Round-up modifiziertes Saatgut zu mehr Herbizid-Einsatz führt, benötigt beispielsweise modifizierte Baumwolle weniger Insektizide.

Viel diskutiertes Urteil in Kalifornien

Die Frage, ob das glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel der Gesundheit schadet, ist umstritten: Ein Institut der WHO stufte ihn als wahrscheinlich krebserregend ein, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht das nicht so. Für Schlagzeilen und einen Börseneinbruch der Bayer-Aktie sorgte in diesem Jahr ein Urteil in den USA: Ein Gericht in Kalifornien sah im Sommer einen Zusammenhang zwischen dem Unkrautvernichtungsmittel und der Krebserkrankung eines 46-jährigen Hauswarts als erwiesen an.

Thomas Waitz, Abgeordneter im EU-Parlament und Stellvertreter im Ausschuss über das Genehmigungsverfahren von Pestiziden, kritisiert die Erstellung von Studien und die Zulassungsverfahren für Pestizide: "Die Industrie gibt die Studien selbst in Auftrag und bewertet diese selbst. Sie kann zum Beispiel 40 Studien beauftragen und nur die, die ein gewünschtes Ergebnis bringen, einreichen. Alle anderen wandern in den Papierkorb." Die EFSA selbst habe keine Geldmittel, um unabhängige Forschung anzufordern. Der Ausschuss fordert deshalb ein Studienregister und eine zwingende Veröffentlichung von Rohdaten.

Doch nicht nur Pestizide, auch der Einsatz von wenigen Sorten führt zu einer Verarmung der Biodiversität. 75 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Vielfalt sei bereits verloren, schreibt der Verein Arche Noah, der gefährdete Sorten archiviert. Auch ein einzelnes Unternehmen könnte für ausreichend Sortenvielfalt sorgen, betont Bürstmayr: "Wenn ich 20 Züchter mit verschiedenen Präferenzen habe, ist Diversität automatisch integriert."

Exklusives Recht auf Saatgut

Generell müsse man mehr auf Resilienz setzen, sagt Katherine Dolan von Arche Noah: "Wir wissen nicht, welche Eigenschaften noch wichtig sein werden. Manche Sorten wachsen aufgrund des Klimawandels vielleicht nicht mehr." Doch die Praxis sieht anders aus: Will man eine neue Sorte anmelden, muss sie neu, über mehrere Jahre stabil und vor allem homogen sein, sagt Dolan: "Das heißt, dass Pflanzen mit einer engen genetischen Basis bevorzugt werden." Das Gegenteil wäre aber notwendig, so die Expertin, um eine potenzielle Anpassung zu ermöglichen.

Anton Brandstetter, Geschäftsführer von Saatgut Austria, kann diesem Argument nichts abgewinnen. Genetische Anpassung geschehe nicht innerhalb weniger Jahre.

Generell liegen 25 Prozent der erteilten Patente auf Pflanzen und ihre Eigenschaften nun in der Hand von Bayer. "Wenn man mit den Patenten weiterzüchten will, muss man oft hohe Lizenzen an die Inhaber zahlen", sagt Brandstetter. Auch Katherine Dolan sieht diese weltweiten Entwicklungen kritisch: "Je mehr Patente ein Unternehmen besitzt, desto exklusiver wird ihr Recht auf Saatgut – und desto mehr Vielfalt wird aus dem Pool herausgenommen." (Katharina Kropshofer, 3.11.2018)