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Zwei Drittel von Spaniens Fläche sind von Trockenheit und Erosion betroffen.

Foto: Reuters / Eloy Alonso

Spanien spürt die Folgen des Klimawandels wie kaum ein anderes EU-Mitgliedsland. Zwei Drittel der Fläche sind von Trockenheit und Erosion betroffen oder bedroht, Stürme und Überschwemmungen häufen sich, die Sommer werden heißer und länger, dieses Jahr gab es Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius. Landwirtschaft und Tourismus sind schon jetzt gefährdet. Den Bauern, die viel für den Export in Europa produzieren, geht das Wasser aus. Und der steigende Meeresspiegel bedroht die 6000 Kilometer lange Küste, wo 70 Prozent der Spanier leben.

Städte wie Barcelona oder Valencia werden schon 2100 teilweise überschwemmt sein, Strände, Hotels und Ferienorte verschwinden oder nehmen großen Schaden. Dazu kommen Stürme und Unwetter: Das spanische Versicherungskonsortium gegen Katastrophenschäden zahlt schon jetzt enorme Entschädigungen. Die Summen werden höher, die Katastrophen heftiger, zum Beispiel die Überschwemmung auf Mallorca, wo jüngst 13 Menschen ertrunken sind.

Der Druck durch den Klimawandel ist also enorm. Noch vor Jahresende will die neue sozialistische Regierung unter Pedro Sánchez ein Gesetz zu Klimawandel und Energiewende im Parlament vorstellen. Das soll den Weg weisen zur Klimaneutralität im Jahr 2050, zu der das Pariser Abkommen alle Unterzeichnerländer verpflichtet. Scheitert das Gesetz, verliert Sánchez wohl auch die Unterstützung des Parteibündnisses zwischen der linken Podemos- und der grünen Equo-Partei, die den Gesetzentwurf vorbereitet haben. Dann kommen wohl Neuwahlen. Umweltpolitik lenkt in Spanien also erstmals direkt das Geschick des Landes.

Neues Umweltministerium

Teresa Ribera, Ministerin für ökologischen Übergang, ist die neue Hoffnungsträgerin. Die 49-Jährige galt schon vor ihrer Berufung als Expertin für Klimawandel, unter anderem war sie Beraterin der Vereinten Nationen und des Weltwirtschaftsforums. Zum ersten Mal in der Geschichte Spaniens gibt es ein Ministerium für die Bereiche Energie, Klima und Umwelt, wo jetzt Entscheidungen nach denselben Richtlinien getroffen werden. Ribera plant etwa den Atomausstieg bis 2024 und die Schließung der 15 Kohlekraftwerke bis 2025. Große Stromverbraucher sollen zu Energie-Audits verpflichtet werden, der Energiemarkt liberalisiert und demokratisiert, Öl- und Gasförderung verboten werden. Bereits 2030 will Spanien ein Drittel weniger CO2-Ausstoß haben als 1990, und ab 2040 sollen die Spanier nur noch Elektroautos kaufen können.

Die Regierung Sánchez muss Versäumtes nachholen. Denn die Vorgängerregierung des Konservativen Mariano Rajoy, die sieben Jahre lang regiert hat, setzte auf fossile Energiequellen, ließ nachhaltige Energieproduktion extra besteuern – die sogenannte Sonnensteuer wurde gerade wieder abgeschafft – und Eigenproduktion auf dem Hausdach war grundsätzlich verboten.

Deswegen schossen Spaniens CO2-Emissionen in den Jahren nach der Wirtschaftskrise in die Höhe, anstatt zu sinken, und das Land verlor seine Bedeutung bei den erneuerbaren Energien. "Wir waren da einmal Vorreiter, neben Deutschland und Dänemark", sagt Biologe und Energiepolitikexperte Carlos Bravo, "den Vorsprung haben wir unter Rajoy zwar verloren, aber technisch ist die Energiewende in Spanien machbar."

"Brauchen Gesinnungswandel"

Trotzdem ist er skeptisch, was das Gesetz anlangt. Denn für den Weg zu einem klimaneutralen Wirtschaftsmodell fehle politischer Konsens, sagt er: "Die konservative PP und die liberale Ciudadanos-Partei sehen Klimaschutz weiterhin als Thema der Linken und nutzen ihn für den Wahlkampf."

Jürgen Kropp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist optimistischer: "Wir brauchen diesen Gesinnungswandel eines großen Mitgliedslandes unbedingt, die Situation ist ohnehin schon schwierig." Deutschland wird das in Paris weltweit vereinbarte Ziel der Klimaneutralität für 2050 verfehlen, denn, so die Einschätzung des Klimaforschers, "der Druck ist hier einfach nicht so hoch wie in Spanien".

Durstige Landwirtschaft

Kropp sieht in Spanien vor allem Handlungsbedarf in der Landwirtschaft. Sie produziert nur 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, verbraucht aber 85 Prozent der Wasservorräte. Ähnlich schlecht sei die Klimabilanz beim Tourismus. "Das fängt damit an, dass Urlauber einmal, zweimal täglich duschen, weil's so warm ist, und das hört bei den Golfplätzen auf, die immer schön grün aussehen sollen." Die Energiewende brächte in Spanien eine grundlegende, wirtschaftliche Umstrukturierung. Da, wo jetzt noch Golfplätze sind und Tomaten wachsen, könnte bald schon nachhaltiger Strom für Europa erzeugt werden. (Brigitte Kramer aus Palma de Mallorca, 7.11.2018)