Der Eismond Dione zählt mit einem Durchmesser von 1.118 Kilometern zu den größten Trabanten des Saturn.
Foto: NASA/JPL/Space Science Institute

Obwohl die Saturn-Sonde Cassini ihre spektakuläre 13 Jahre dauernde Mission bereits vor etwas mehr als einem Jahr mit einem ebenso fulminanten Kamikaze-Flug in die Atmosphäre des Ringplaneten beendet hat, haben Astronomen mit den gesammelten Messungen und Aufnahmen noch für Jahrzehnte zu tun. Erst ein Bruchteil davon konnte im Detail ausgewertet und publiziert werden.

Nun haben Forscher in diesem riesigen Datenschatz ein neues Rätsel entdeckt: Cassini-Bilder von der Oberfläche des Saturnmondes Dione zeigen zahlreiche gerade Linien rund um die Äquatorregionen, deren Ursprung sich die Wissenschafter um Alex Patthoff vom Planetary Science Institute (PSI) vorerst nicht erklären können. Die meist weniger als fünf Kilometer schmalen Streifen haben Längen von mehreren Dutzend bis einigen Hundert Kilometern und verlaufen teilweise überraschend parallel.

Bizarr und unabhängig von der Topografie

Ebenfalls auffällig ist, dass die als "linear virgae" bezeichneten hellen Linien praktisch in keinem Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Umgebung zu stehen scheinen: Sie ziehen über Krater ebenso unbeeindruckt hinweg, wie über tiefe Täler, flache Ebenen oder Gebirgszüge. "Sie sind wirklich bizarr", meint Emily S. Martin vom Center for Earth and Planetary Studies am National Air and Space Museum. "Es ist immer sehr aufregend, wenn man etwas derart Seltsames entdeckt und versuchen muss herauszufinden, was da vor sich geht."

Dione nahe der Ringscheibe. Wie auch Enceladus könnte der Saturnmond eine Art Ozean unter seinem Eispanzer verbergen.
Foto: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Die markanten Spuren auf Dione sind freilich nicht die einzigen derartigen Streifen im Sonnensystem, weshalb Martin und Patthoff die Strukturen detailliert kartierten und mit ähnlichen Merkmalen auf dem Saturnmond Enceladus, dem Erdmond und den Jupitermonden Ganymed und Callisto verglichen. Die Gegenüberstellung zeigte, dass doch einige signifikante Unterschiede bestehen. Der wichtigste darunter ist, dass keine der anderen Linien so schnurgerade verlaufen wie jene auf Dione.

Wie mit dem Lineal gezogen

"Diese Striche wirken, als hätte man sie buchstäblich mit einem Lineal gezogen", sagt Patthoff. "Etwas, das so lange völlig gerade verläuft, haben wir noch nirgendwo sonst beobachtet, selbst auf der Erde nicht."

Links: Die "linear virgae" auf Dione – hier in grün dargestellt – verlaufen in den meisten Fällen parallel zum Äquator. Krater-Strahlensysteme wurden hier mit rosaroten Strichen markiert. Rechts eine Detailaufnahmer einiger Linien (grüne Pfeile).
Fotos: Nasa/Roatsch et al

Was also hat sie verursacht? Vorerst haben die Wissenschafter nur eine vage Theorie, über die sie in den "Geophysical Research Letters" berichten: Weil Diones Linien sich offenbar nicht um ihre darunter liegende Topografie zu scheren scheinen, nehmen Martin und Patthoff an, dass sie von Prozessen außerhalb des Mondes hervorgerufen wurden, und zwar vermutlich eher in jüngerer Zeit. Die Astronomen sind sich allerdings nicht sicher, woher das Material für die Linien stammt.

Material von außerhalb

Eine Möglichkeit sei, dass es von den Ringen des Saturn kommt, von denen man weiß, dass sie fortwährend Materie verlieren. Oder die Streifen wurden von den Monden Helene und Polydeuces verursacht, die sich die Umlaufbahn mit Dione teilen. "Wenn die Linien tatsächlich von außerhalb stammen, so könnte es sich dabei um einen bisher unbekannten Prozess handeln, durch den neues Material auf Dione gelangt", meint Patthoff. Und dies hätte durchaus auch Einfluss auf das biologische Potenzial eines hypothetischen Wasserkörpers, der unter Diones Oberfläche vermutet wird. (tberg, 3.11.2018)