Die Idee – ein Investor – schnelles Wachstum – Erfolg: Diese Vorstellung prägt das Bild von Start-ups. Dieser so scheinbar einfache Weg zeigt jedoch mitunter nicht die reale Entwicklung von Unternehmen. Umso schneller der gewünschte Erfolg eintreten soll, desto eher kann es passieren, dass wichtige betriebswirtschaftliche, aber vor allem auch persönliche und idealistische Entwicklungsschritte übersprungen werden, die Einfluss auf die Unternehmenskultur und einen selbst haben können. Schnelles Wachstum bedeutet dabei nicht immer auch gesundes Wachstum.

Ganz am Anfang ist es wichtig sich zu fragen: Was ist eigentlich meine Idee und was mach ich damit? Will ich meine Idee verwirklichen oder will ich den ökonomischen Erfolg? Wie erreiche ich mein Ziel und welche Schritte sind dafür nötig? Auch wenn Ideen oft einem idealistischen Bild zu Grunde liegen, ist die Gründung eines Start-ups erst die Aussaat des Samens.

Vom Samen zur Frucht – von der Idee zur Unternehmung

Denken wir an eine Paradeiserstaude: Die junge Pflanze braucht starke Wurzeln, Geduld und Fürsorge. Sie soll aber auch so schnell wie möglich Früchte tragen und wird dafür in nährstoffreiche Erde gesetzt und durch ein Glashaus von äußeren Witterungsbedingungen abgeschirmt. Ideale Umstände begünstigen schließlich ideale Erfolge – so heißt es. Doch was passiert, wenn die junge Pflanze plötzlich den nährstoffreichen Boden verliert und dem realen Klima ausgesetzt ist?

Nur das Beste für die Paradeiser.
Foto: vecanchange.com

Österreich gilt, durch unterschiedliche Förderungen und Begünstigungen, als besonders nährreicher Boden für Jungunternehmer und somit als attraktiver Gründerstandort. Das Neugründungs-Förderungsgesetz (NeuFöG), bei dem vor allem Gebühren und Verwaltungsabgaben für Neugründer entfallen, das universitäre Gründungsservice INiTS, das vor allem beraten soll, aber auch viele weitere Stellen vereinfachen und unterstützen beim Markteintritt in Österreich.

Jungunternehmen im Glashaus 

Diese Förderungen und Beratungsstellen erlauben es Jungunternehmern ihre Ideen zu verwirklichen und den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Man sollte dabei jedoch nicht auf die Zeit nach der Förderung oder dem Ende einer Investition vergessen, denn diese spiegelt das eigentliche Realszenario einer Unternehmung wider. Das betriebswirtschaftliche Know-how, die Entwicklung von Marketingstrategien, das Aufbauen einer Infrastruktur aber auch die Unternehmensführung sollten dabei nicht gänzlich ausgelagert werden.

Paradeiser, die im Glashaus sitzen...
Foto: vecanchange.com

Welche Beben die Pflanze erschüttern können

Bei einer vollkommenen Abgabe der Unternehmensführung kann es unter Umständen zu einer Identitätskrise des Gründers aber auch der Unternehmung kommen. Rasantes Wachstum, ein möglicher Überblicksverlust über die einzelnen Entwicklungsschritte, aber auch jeder neue Mitarbeiter in einem Team kann ein kleines Erdbeben für die junge Pflanze bedeuten. Was passiert wohl, wenn auf einen Schlag dreißig neue Mitarbeiter ins Unternehmen strömen? "The first five employees will make or break your start-up", so Oliver Holle von Österreichs größtem Venture Capital, Speedinvest. Dass genau diese 30 Mitarbeiter die gleichen Wert- und Zielvorstellungen verfolgen wie jemand selbst, ist reine Glückssache – aber Voraussetzung für eine gemeinsame Unternehmenskultur und Identität.

Wenn die Pflanze durch eine gemeinsame Unternehmenskultur, aber auch durch eine Anschlussfinanzierung kräftige Wurzeln schlägt, wird aus der Idee ein eigener Business Case und dieser zu einer realen Unternehmung. Wenn dieser Umstand jedoch ausbleibt und die junge Unternehmung auf einmal mit Fragen über "Return on Investment" also der Kapitalrendite, Rentabilität oder Personaleinsatz auf sich alleine gestellt ist, dann kann das Realszenario sehr schnell überfordernd sein. Schlimmer noch, am Ende kann man seine ursprüngliche Idee aus den Augen verlieren.

Berechtigte Entwicklungsschritte

Unternehmerische und persönliche Entwicklungsschritte können bei Unternehmen nicht durch Geld oder Fremdexpertise abgekürzt werden. Jede Entwicklung benötigt seine Zeit – der Paradeiserstaude geht es nicht anders.

Will ich eine gut schmeckende Paradeiser, die wieder neue Samen in sich trägt, genieße ich sie umso mehr, wenn ich nicht nur den Überblick über den Wachstumsprozess behalten habe, sondern vom Samen bis zur Frucht selbst daran beteiligt war. Ignoriere ich die einzelnen Entwicklungsschritte und halte mich lediglich an das oberflächliche Bild, das zum Beispiel Medien vermitteln, stehen die Chancen gut, zu versagen.

Generell ist es kein Fehler sich an das Mantra "Ich will, indem ich ..." zu halten und nicht durch ein "Ich will, indem jemand anderes ..." zu ersetzen. Der Fokus auf die Umsetzung durch einen selbst, die Priorisierung des "indem ich" zwingt einen in ein operatives Denken, das nicht nur zu Beginn einer Unternehmung essentiell ist.

Mit Geduld erntet man die g'schmackigsten Paradeiser.
Foto: vecanchange.com

Strategisches Glück im Paradeiserwald

Startups zeichnen sich oft durch das junge Marktalter, den Veränderungswillen und das Verkaufstalent der Gründer aus – und manchmal auch durch den einen oder anderen Glücksmoment. Die richtige Zeit, der richtige Ort und die richtigen Personen sind oftmals Glück und Glück ist dabei nichts Schlechtes. Wichtig ist, dieses Glück nicht als selbstverständlich zu betrachten sondern es strategisch zu nutzen. Auch wenn man dieses Glück am besten strategisch vernünftig einordnet und einsetzt, kann es nie Teil der Strategie sein. Denn: "Anyone can have an idea, but only a few can watch it grow." (Stefan Feigl, Simon Rausch, 9.1.2019)

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