VW muss sich bei seinen Kunden vor Gericht verantworten.

Foto: Imago

Nach dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) steigen auch deutsche Verbraucherschützer gegen Volkswagen in den Ring. Am Donnerstag hat der Verbraucherzentralen-Bundesverband (VZBV) gemeinsam mit dem Autofahrerklub ADAC beim Oberlandesgericht Braunschweig wegen des Dieselskandals die erste Musterfeststellungsklage gegen VW eingebracht.

Stellvertretend für hundertausende Besitzer von Dieselfahrzeugen ziehen sie vor Gericht. "Volkswagen hat betrogen und schuldet geschädigten Verbraucherinnen und Verbrauchern dafür Schadenersatz", forderte Verbandsvorstand Klaus Müller. Der Verband reichte seine Klagsschrift wenige Minuten nach Inkrafttreten des im Sommer vom Bundestag beschlossenen Gesetzes um Mitternacht per Fax ein. Die Übertragung des mehr als 240 Seiten starken Dokuments schlug mehrmals fehl, gelang dann aber gegen zwei Uhr.

Denkwürdige Premiere

Das Instrument der Musterfeststellungsklage erlebt damit eine denkwürdige Premiere. Es ermöglicht Verbraucherschützern, stellvertretend für viele Betroffene gegen Unternehmen vorzugehen.

Wie viele der vom VW-Skandal betroffenen 2,5 Millionen Dieselbesitzer in Deutschland sich anschließen werden und Schadenersatz begehren, ist offen. Sie können das – ohne finanzielles Risiko übernehmen zu müssen – ab Mitte November tun. Da wird ein Register eingerichtet, in das sich Verbraucher eintragen lassen können, ohne selbst finanzielles Risiko nehmen zu müssen.

Der Vorteil: Die Verjährung, die in Deutschland Ende Dezember ausläuft, wird gestoppt. Der Bundesverband will mit der Klage erreichen, dass Dieselfahrer, die vom Rückruf manipulierter VW-, Audi-, Seat- und Skoda-Modelle betroffen sind, für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge entschädigt werden und im Idealfall den Kaufpreis erstattet bekommen. Einen durchsetzbaren Rechtstitel liefert das vom Bundesjustizministerium Eine-für-alle-Klage genannte Feststellungsverfahren allerdings nicht. Geschädigte bekommen lediglich das Attest, dass ihnen unrecht getan wurde. Bekommen die Verbraucherschützer recht, haben Betroffene den Gerichtsweg also noch vor sich. Jeder Einzelne muss dann seinen Schaden durch den Abgasbetrug auf dem Zivilrechtsweg einklagen. Die Chancen, mit einer solchen Klage durchzukommen, sollte dann allerdings deutlich größer und das individuelle Prozessrisiko kleiner sein.

Vergleichswelle

Da sich Volkswagen bisher in tausenden Einzelverfahren vergleichsbereit zeigte und Klägern inklusive Zinsen teils mehr zahlte als den Anschaffungspreis der mittels Software-Update reparierten Fahrzeuge, könnte nun eine Vergleichswelle anrollen, die in die Millionen gehen könnte. Darauf setzen Sammelkläger wie der VKI. Seiner Sammelklage haben sich, wie berichtet, 9.872 geschädigte Fahrzeughalter angeschlossen. Die Klagen wurden an 16 Landesgerichten eingereicht – jeweils dem Ort des VW-Händlers.

Ob das deutsche Verfahren auch für österreichische VW-Kunden hilfreich sein kann, ist noch nicht klar. Der VKI und auch der neue Verbraucherschutzverein (VSV) des ehemaligen VKI-Rechtsexperten und Liste-Pilz-Klubchefs Peter Kolba empfehlen mitzumachen. Es verursache ja kaum Kosten. Volkswagen rechnet nicht mit Erfolg der Klage. Kunden in Deutschland hätten trotz der laut Kraftfahrtbundesamt unzulässigen Abschalteinrichtung der Abgasreinigung keine Ansprüche. Die Fahrzeuge seien genehmigt, technisch sicher und fahrbereit. (ung, dpa, 1.11.2018)