Der Erfolg von Emmanuel Macron (links) ging zu einem guten Teil auf Kosten des sozialistischen Kandidaten Benoît Hamon (rechts).

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Ein paar Nostalgiker retteten noch ein paar Relikte aus glorreichen Zeiten: ein Wahlplakat aus dem Jahr 1981, als François Mitterrand seinen legendären Slogan "La force tranquille" (Die ruhige Kraft) kreierte und die Linke erstmals in den Élysée-Palast einzog. Oder eines von der Jahrtausendwende, als Premier Lionel Jospin die 35-Stunden-Woche durchgesetzt hatte.

Die übrigen Souvenirs wurden von der Müllabfuhr entsorgt, als der Parti socialiste (PS) jüngst die Schlüssel des langjährigen Parteisitzes an der Pariser Rue de Solférino an die neuen Besitzer, eine Immobilienfirma, übergab. Eine Ära ging zu Ende. Vom "Solférino", einem Zentrum politischer Macht im noblen siebenten Stadtbezirk, umgeben von Ministerien und Museen, ziehen die Sozialisten in die gesichtslose Vorstadt Ivry-sur-Seine um. Der Erlös von 45 Millionen Euro für den Parteisitz deckt nicht einmal die Schulden der Partei, die laut Radiosender RTL eine "Fahrt in die Hölle" erlebt.

Absturz nach Hollande

Begonnen hatte diese paradoxerweise mit dem Wahlsieg des Sozialisten François Hollande bei den Präsidentschaftswahlen 2012: Mit betont linkem Anspruch ("Ich mag die Reichen nicht") angetreten, betrieb der Staatschef in der Folge eine unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik. Die Wähler fühlten sich verraten, die Linken in der Partei wandten sich ab. Der rechte Parteiflügel wiederum lief lieber mit fliegenden Fahnen zum liberalen Heilsversprecher Emmanuel Macron über.

Bei der Präsidentschaftswahl 2017 erhielt der sozialistische Kandidat Benoît Hamon nur 6,4 Prozent der Stimmen. Auch die verbliebenen "camarades" konnten sich nicht zusammenraufen: Hamon verließ die Partei, um zwischen der "Linksfront" und den Sozialisten einen Ableger namens Génération.s zu gründen.

Mitte Oktober ging der Spaltprozess weiter, als zwei wichtige Vertreter des halblinken Flügels die Partei verließen. "Der PS entspricht nicht mehr der Idee, die ich vom Sozialismus habe", meinte einer der beiden, der Europaabgeordnete Emmanuel Maurel. "Das Ziel ist die Verteidigung der einfachen Leute mit dem Zusammenschluss aller Linkskräfte. Der PS hat sowohl dieses Ziel als auch die Strategie aus den Augen verloren."

Ziele erreicht

Der PS ist heute in der Tat die Partei der Lehrer und Beamten, die in Frankreich immerhin ein Fünftel aller Erwerbstätigen ausmachen. Sie haben ihre gesellschaftlichen Ziele weitgehend erreicht: Frankreich wird heute sozialdemokratisch regiert, die Steuer- und Abgabenquote beläuft sich auf 46 Prozent, der Anteil der Staatsausgaben am gesamten Wirtschaftsvolumen auf 54 Prozent. Die Arbeiter und sozial Benachteiligten wählen jedoch lieber die Partei, die nicht wie der PS den Besitzstand verteidigt, sondern neue, härtere Forderungen anmeldet, wie dies die Linksfront von Jean-Luc Mélenchon vormacht. Und wer etwas gegen die Klimaerwärmung tun will, wählt auch nicht mehr "socialiste", sondern die Grünen, Hamon oder ebenfalls Mélenchon.

Die zweite Abtrünnige, die prominente Ex-Wohnbauministerin Marie-Noëlle Lienemann, begründete ihren Austritt schlicht damit, der PS sei nur noch "ein Huhn ohne Kopf". Der neue Parteichef Olivier Faure verströmt die Aura eines idealen Schwiegersohns, bleibt aber auch ein halbes Jahr nach seiner Wahl eher unbekannt und im medialen Zirkus weitgehend abwesend.

Auch für die kommenden Europawahlen bietet sich kein Zugpferd an: Viele Schwergewichte wie der heutige Außenminister Jean-Yves Le Drian sind seit langem zu Macron übergelaufen. Ex-Premier Manuel Valls engagiert sich politisch in seiner Herkunftsstadt Barcelona. Martine Aubry bleibt lieber Bürgermeisterin der Stadt Lille, Ségolène Royal Klimabotschafterin, Pierre Moscovici EU-Kommissar. Bereit wäre nur Hollande, doch er gilt als "passé" – zu unpopulär, zu verbraucht. Ein wenig wie der PS. (Stefan Brändle aus Paris, 2.11.2018)