Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuerlichkeiten. Damit soll nicht gesagt werden, an der SPÖ wäre derzeit irgendetwas vernünftig, nur weil sie schläft. Die regierungsamtlichen Ungeheuerlichkeiten, die derweil neben ihrer Hängematte täglich ins Kraut schießen, haben bisher nicht viel mehr bewirkt, als dass sich die Ärztin am Krankenbett der Partei bemüßigt fühlte, als Schlafwandlerin durch die Kulissen zu geistern. Nur in einem solchen Zustand konnte es geschehen, dass sie in den Amtsräumen des Vizekanzlers antritt, um sich dieser hohen Persönlichkeit vorzustellen, als wäre er ein ehrenwerter Vorgesetzter. Geht's eigentlich noch devoter?

Ein Othmar Karas muss kommen, um von der FPÖ getriebene Regierungsmaßnahmen als erschreckend und widerwärtig zu bezeichnen, eine Neos-Chefin muss eine rückwärtsgewandte Schulpolitik anprangern – die SPÖ-Vorsitzende lobt die gute Atmosphäre beim Dialog mit dem ungeistigen Urheber solcher Widerwärtigkeiten. Da dürfe weder Parteipolitik noch Ideologie dazwischenstehen. Das klingt eher nach Anbiederung als dritter Regierungspartner ohne Portefeuille als nach einem Signal kantiger Opposition. Vielleicht sind die beiden einander ja bei Kaffee und Kuchen menschlich näher gekommen, aber etwas Besseres als ein Dialog, bei dem alles Unmenschliche ausgeklammert wird, das derzeit als Politik gilt, kann einer Regierung gar nicht widerfahren. Schon gar nicht in Zeiten, in denen ein Europa- und ein Wiener Wahlkampf anstehen.

Trotz aller Skepsis muss aber auch gesagt werden, Pamela Rendi-Wagners Versuch, eine Gesprächsbasis mit Regierungsparteien zu finden, deren erklärte Maxime es ist, konsequent über alles drüberzufahren, was von der Opposition kommt, über EU-Recht ebenso wie über die österreichische Verfassung, wenn für ihre Pläne nötig, ist demokratiepolitisch ehrenwert. Alles was dazu dient, der zunehmenden Verschärfung sozialer Gegensätze und damit der Vergiftung des politischen Klimas entgegenzuwirken, ist zu begrüßen. Ob das mit Wellness unter vier Augen erreichbar ist, wird man bald merken. Im Parlament, normalerweise der Ort des Dialogs zwischen Regierung und Opposition, war bisher nichts davon spürbar. Aber die SPÖ-Vorsitzende hat ja noch einen Vieraugentermin mit dem Bundeskanzler ausständig.

Noch bevor es dazu kommt, verweigert die türkis-blaue Regierung den Beitritt zum Migrationspakt der Uno. Sie befindet sich damit in bester Gesellschaft von Ungarn, Australien und den USA. Kurz und Strache berufen sich darauf, Österreich kenne kein "Menschenrecht auf Migration", obwohl sich in dem Uno-Abkommen von einem solchen Recht nichts findet. Dass Menschenrechte aber auch für Migranten gelten sollen, wie die Uno fordert, halten sie für eine nationale Zumutung. Sie wollen allein bestimmen, wann und für wen Menschenrechte gelten sollen. Das ist umso anmaßender und widerwärtiger, als sie nicht einmal ein Hehl daraus machen, Menschenrechte als Spielmaterial in den nächsten Wahlkämpfen einzusetzen: "Die Österreicher werden mit uns stehen", so Strache in der Krone. Vielleicht hat Rendi-Wagner bei Kurz dann mehr Erfolg. (Günter Traxler, 1.11.2018)