Nicht alle Tipps von Dr. Sommer waren pädagogisch wertvoll: "Café Bravo" blickt zurück in die Hohezeit der Jugendzeitschrift.

Foto: Susanne Einzenberger

Der Schwimmer Mark Spitz räumt alles ab, was es im Wasser zu gewinnen gibt, Sängerin Wencke Myhre fährt mit einem knallroten Gummiboot hinaus, und Christian Anders ist der böse junge Mann des deutschen Schlagers. Das sind die 1970er. Im Wiener Schauspielhaus schaut das Café Bravo auf die Ära zurück – durch die Brille des gleichnamigen berufsjugendlichen Magazins.

1956 gegründet, ist das Heft in der Zeit vor Google und Social Media eine Macht. Es beantwortet drängende Sexualfragen ("Ich liebe einen Orientalen!"), gibt gute und günstige Modetipps, kennt jeden Starklatsch und verschließt sich trotzdem nicht den großen politischen Themen (Margaret Thatcher wird erste Regierungschefin Europas). Mithilfe seiner ansteckbaren Kontaktbuttons kann man auf der Straße sogar erkennen, wer sonst noch Freunde oder einen Partner sucht. Die Bravo ist immer für einen da.

Kirschsaft und Hitparade

Felix Krakau (Text und Regie) erinnert an all das mit einer Zeitreise. Er hat sie mit Fakten gespickt und dem Ensemble Glitzerjacken angezogen. Man fühlt regelrecht die Pickel sprießen und die Dauerständer aufsteigen. Steffen Link und Michael René Sell geben die süßen Boys, Sophia Löffler und Vassilissa Reznikoff führen als kecke Girls mit viel unschuldiger Freude und heiterer Musik durch den Abend. Reznikoffs Stimme schmeckt wie Kirschsaft. Kondome? Blasen sie auf wie Luftballons. Was sonst.

Zwischen Starschnitt, Hitparade und bodenständigen Vornamen wie Karin und Hermine macht sich aber auch Skepsis breit. Schließlich erzog das Heft Generationen von Jugendlichen, und nicht alle Ratschläge von Dr. Sommer sind nach heutigen pädagogischen Maßstäben wertvoll. Eine Hommage, die mit Vorsicht genießt, spöttelt, sich wundert und dabei viel Spaß macht. (Michael Wurmitzer, 2.11.2018)