Wenn jemand so ein kindliches Exemplar zu Hause hat: Keine Sorge, es könnte natürliche Trennkost sein, meinen Ernährungsexperten.

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Wie viel Süßigkeiten soll ein Kind essen? Es darf eine Kinderhand voll sein – eigentlich inklusive Marmelade und Süßgetränken, so Ernährungswissenschafterin Ingeborg Hanreich.

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Nudeln, Pizza und Pommes sind die Lieblingsessen vieler Kinder. Manche der kleinen Junkfood-Junkies essen über eine ganze Zeitlang hinweg gar ausschließlich weiße Nudeln. Schuld sind die Geschmacksentwicklung und der Überlebensmechanismus des Körpers, wissen Ernährungsexperten. Schon in pränatalen Phasen geht es damit los.

Alles beginnt im Mutterleib: Schon in der Schwangerschaft bilden sich die ersten Geschmacksrezeptoren. Babys trinken Fruchtwasser, das danach schmeckt, was die Mutter gegessen hat. So lernen schon Ungeborene verschiedene Geschmacksrichtungen kennen.

Prägung schon im Mutterleib

"Essen Mütter etwa viel Obst und Gemüse, werden es ihre Kinder später auch tendenziell mögen", erklärt die klinische Ernährungsmedizinerin und Diätologin Angelika Kirchmaier. Die nächsten beiden großen Schritte in der Entwicklung bei Kindern sind die Stillzeit und die Beikost.

Auch die Muttermilch schmeckt nach jenen Lebensmitteln, die eine Mutter isst. Bei Säuglingsnahrung fällt dieser Schritt in der Prägung aus, weil sie immer gleich schmeckt. Vieles lasse sich aber mit möglichst vielfältig gestalteter Beikost wieder wettmachen, so Kirchmaier. Hier gilt: Fertige Gläschen einer Sorte schmecken immer nahezu alle gleich, mit selbstzubereiteten Breien erreicht man ein bunteres Geschmacksspektrum, was das spätere Schmecken von vielen verschiedenen Geschmäckern erleichtert. Nach dem ersten Lebensjahr ist der Großteil der Geschmacksbildung abgeschlossen, wenn nicht konsequent interveniert wird.

Frische Nahrung hat mehr Aromastoffe

Je frischer ein Lebensmittel ist, desto leichter tut man sich übrigens mit dem Schmecken. "Eine frische Erdbeere hat ca. 300 verschiedene Aromastoffe, ein Erdbeeraroma nur rund zehn. Das ist wie ein Puzzle: Habe ich 50.000 Teile zur Verfügung, kann ich eher verschiedene Bilder zusammenbasteln, als wenn ich 50 habe", erklärt die Ernährungsmedizinerin, warum es vorteilhaft ist, wenn Kinder viele Rezeptoren ausbilden. Je mehr sie haben, desto eher schmecken sie gern unterschiedliche Nahrungsmittel.

Die Beliebtheit von Spaghetti und Co

Mit dem obigen Wissen erklärt sich auch, warum Spaghetti mit Soße oder auch weiße Nudeln ohne alles bei vielen Kindern so beliebt sind. "Wenn ein Kind nur sehr wenige unterschiedliche Geschmacksrezeptoren gebildet hat, dann schmecken Lebensmittel, für die man wenige braucht, immer", so Kirchmaier. Das sind dann Nahrungsmittel wie Nudeln oder Weißbrot.

"Spaghetti, Pizza und Pommes treffen den Geschmack der Kinder besonders gut", weiß auch Verlegerin und Ernährungswissenschafterin Ingeborg Hanreich. Sie verweist darauf, dass Speisen, die haptisch sind, die man angreifen kann, und mit denen sie sich selber füttern können, bei Kindern sehr beliebt sind. "Dazu kommt, dass sie bei diesen Essen oft auch selbst verschiedenen Geschmacksrichtung auswählen können. "Ketchup, das süß und salzig zugleich ist, mögen Kinder besonders gern", so Hanreich.

Auch der Überlebenstrieb spielt eine Rolle: Lebensmittel, die dem Gehirn als Primärnahrung dienen, werden von Kindern besonders favorisiert. "Das Gehirn lebt ja nur von Glukose, also reinem Zucker. Alle kohlenhydrathaltigen Lebensmittel wie Nudeln oder Brot werden letztlich vom Körper zu Zucker und damit Gehirnenergie abgebaut", so Kirchmaier. Bei Pizza komme noch der Brotfaktor dazu und, dass sie einfach stylisch zu essen sei. Prinzipiell fällt in dieses Schema alles hinein, was auf Getreidebasis ist, wie etwa Reis ohne Würze. Jedes Kind kann diese Speisen schmecken, weil sie so einfach zusammengesetzt sind. Zum Vergleich: "Kraut oder Kohl sind sehr schwierig zu schmecken. Das heißt, dazu brauche ich ganz viele Rezeptoren, damit mir dieses Gemüse schmeckt", so die Ernährungsmedizinerin.

Natürliche Trennkost

Ingeborg Hanreich ortet beim Ess- und Schmeckverhalten mancher Kinder eine Art natürlicher Trennkost: "Die Kohlenhydrate bringen viel Sättigung, fürs Wachstum essen die Kinder dann aber auch einmal ein Stück Butter." Das erklärt auch, warum oft nur Schinken oder nur Fleisch ohne alles gegessen wird, das Essverhalten am nächsten Tag aber wieder ganz anders aussieht, etwa nur bloßes Brot konsumiert wird. "Vom Nährstofffaktor gleicht sich das auf Dauer wieder aus", beruhigt die Verlegerin vieler Essbücher für kleine Kinder auf Abwechslung bedachte Eltern. Getrennte Kost sei auch leichter verdaulich und geschmacklich purer.

Neophobie

Manche Kinder essen während der Beikostphase fast alles und werden dann auf einmal heikel. Das ist ein Schutzfaktor, den rund jedes zehnte Kind entwickelt: "Der Körper dieser Kinder will ganz sicher gehen und stuft erstmal jedes Lebensmittel als potentiell gesundheitsschädlich ein. Erst durch häufiges Probieren gelingt es dem Körper, diese Angst zu nehmen. Im Alter von acht bis zehn Jahren vergeht das Schauspiel meistens wieder und die Kinder sind nicht mehr so heikel", weiß Kirchmaier.

Dazu kommt, dass manche Kinder eine neophobische Phase haben, in der sie lieber Vertrautes essen. "Das gibt ihnen ein wohliges Gefühl und hat eine natürliche Ursache in der Entwicklung", so Hanreich. Aber man könne versuchen, von klein auf eine Kultur des Kostens einzuführen: Das, was frisch gekocht ist, soll gekostet werden, und danach kann es Nudeln oder ein Butterbrot geben. Der Sinn der Sache: Es braucht bei Drei- bis Vierjährigen zehn- bis 15-mal, bis eine Speise beliebt und bekannt ist. Bei Süßspeisen geht es natürlich schneller, weil Kinder mit einem präferablen Geschmack für Süßes geboren werden.

Mit Tricks Geschmack ausbauen

Auch Ernährungsmedizinerin Kirchmaier kennt diesen Effekt: "Wenn man innerhalb von zwei Monaten achtmal etwas isst und das positiv assoziiert, dann entwickelt sich auch so eine Präferenz." Mit diesem Trick lassen sich die vorhandenen Präferenzen etwas aufbessern. Das nutzen etwa Junkfoodläden aus, die Gutscheine für kurze Zeiträume austeilen. Das funktioniert übrigens auch bei Erwachsenen.

Ansonsten gilt bei kleinen heiklen Essern: Die Eltern sollten Vorbilder sein, und Essverhalten lässt sich nur spielerisch ändern. Mit Zwang geht gar nichts. Auch wenn Kinder ab und zu einmal eine Weiße-Nudel-Phase haben – sie geht vorbei, sind sich die Expertinnen einig. Essen die Kinder wenigstens zwei bis drei Gemüse- oder Obstsorten, spielten die weißen Nudeln keine so große Rolle.

Auch einen Versuch wert: Gesunde Lebensmittel verknappen. "Steht etwa eine Schale mit nur zwei Erdbeeren neben einer Schüssel mit 20 Bonbons, dann greifen Kinder tendenziell zuerst zu den gesunden Lebensmitteln und erst dann zu den Ungesunden. Dreht man den Spieß um, so wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Süßigkeit zuerst genascht und die gesunden Lebensmittel danach verschmäht, weil die Süßigkeiten das Schmecken der natürlichen Lebensmittel erschweren", berichtet Kirchmaier aus der Praxis. (Marietta Adenberger, 3.11.2018)