Fett und flüssig halten nicht gut zusammen. Damit die Mayonnaise schön cremig schmeckt, hilft die Lebensmittelindustrie mit Emulgatoren nach.

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Emulgatoren sind eine praktische Sache. Sie sorgen dafür, dass sich zwei Stoffe, die sich üblicherweise abstoßen, dauerhaft verbinden. So wird etwa aus Öl und Wasser ein fein verteiltes Gemisch, eine stabile Emulsion. Ohne sie wäre die Fertigsoße, die Mayonnaise, das Softeis oder der Pudding weniger cremig, die Margarine nicht so streichfähig. Auch in Wurst, Brot, Kuchen, Keksen und Schokolade sind die künstlichen Zusatzstoffe, die Lebensmittel länger haltbar machen und ihnen ein frisches Aussehen verleihen, enthalten.

Was für die Industrie von Vorteil ist, könnte Konsumenten allerdings krankmachen. Vor allem jene, die eine genetische Disposition für eine chronisch entzündliche Darmerkrankung haben. Das vermuten Andrew Gewirtz und Benoit Chassaing vom Institut für biomedizinische Forschung der Georgia State University in Atlanta, die in einer vielbeachteten Studie die Auswirkungen zweier gängiger Emulgatoren auf die Darmflora untersucht haben. In Mausexperimenten beobachteten sie den Einfluss von Polysorbat 80 (E433) und Carboxymethylcellulose (E466) auf das Mikrobiom, die Gesamtheit der Mikroorganismen im Magen-Darm-Trakt.

Greifen Schleimschicht an

Für die Studie wurden Labormäusen mit genetisch erhöhtem Risiko für entzündliche Darmerkrankungen und gesunden Wildmäusen die beiden Emulgatoren mit dem Trinkwasser in einer Dosis verabreicht, wie sie auch in industriell produzierten Lebensmitteln enthalten ist. Zwölf Wochen lang trank ein Teil der Versuchstiere die beiden Stoffe, die Kontrollgruppe erhielt Wasser ohne Zusätze.

Das Ergebnis: Durch die Emulgatoren wurde die Schleimschicht des Dickdarms, die eine schützende Barriere zwischen Bakterien und Epithelzellen bildet, dünner. Polysorbat 80 und Carboxymethylcellulose veränderten außerdem die Zusammensetzung des Mikrobioms, die Anzahl schleimlösender Keime wie Ruminococcus gnavus und entzündungsfördernder Proteobacteria nahm deutlich zu.

Bei Labormäusen, die genetisch anfälliger für Darmentzündungen waren, verdoppelte sich der Anteil, der eine ausgeprägte Colitis entwickelte, von 40 auf 80 Prozent. Die gesunden Wildmäuse reagierten mit leichten Entzündungen im Dickdarm. Zudem hatten die Tiere mehr Appetit und wurden übergewichtig. Sterile Mäuse, die keine Darmbakterien besitzen, reagierten hingegen nicht auf die Emulgatoren. Transplantierten ihnen die Wissenschafter jedoch die Darmflora von Mäusen, die mit Emulgatoren ernährt worden waren, entwickelten sie ebenfalls Darmentzündungen. Für die Forscher ist das ein Hinweis darauf, dass die veränderte Zusammensetzung der Darmbakterien die Entzündungsneigung fördert.

Wie industrialisierte Nahrung wirkt

In einer Folgestudie konnte außerdem beobachtet werden, dass die Emulgatoren bei Mäusen, die bereits an Darmkrebs erkrankt waren, das Tumorwachstum anfeuerten. Ob diese Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen werden können, ist jedoch fraglich, denn der Darm von Maus und Mensch unterscheidet sich erheblich. Studien, die eine kausale Wirkung dieser Substanzen auf den Menschen nachweisen, gibt es nicht. Der einfache Grund: "Solche Untersuchungen würde keine Ethikkommission zulassen", sagt Christoph Gasche, Gastroenterologe an der Med-Uni Wien.

Tatsache ist: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen haben in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Besonders deutlich ist das gegenwärtig in Schwellenländern wie Brasilien oder Taiwan zu beobachten, die auf westliche Ernährungsgewohnheiten umsteigen und ihren Hunger zunehmend mit Convenience-Produkten stillen.

"Es gibt mehr als 200 Risikogene für chronisch entzündliche Darmerkrankungen, sie machen insgesamt aber nur etwa 15 Prozent des Erkrankungsrisikos aus. Den größten Anteil haben schädliche Umwelteinflüsse, allen voran die Ernährung", sagt Alexander Moschen, Gastroenterologe an der Uniklinik Innsbruck.

Die Lebensmittelindustrie argumentiert, dass die zuständigen Behörden die Zusatzstoffe prüfen und nur dann eine Zulassung erteilen, wenn sie als unbedenklich eingestuft wurden. "Bei der Risikobewertung bleiben allerdings Langzeiteffekte unberücksichtigt. Es ist sicher kein Problem, hin und wieder Fertigprodukte zu essen, ein regelmäßiger Konsum über Jahre hat aber sicherlich Auswirkungen auf die Darmflora", ist Moschen überzeugt.

Besser selber kochen

Ähnlich sieht das auch sein Kollege Christoph Gasche: "Künstliche Emulgatoren können sicher nicht als alleinige Ursache für die Zunahme von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen verantwortlich gemacht werden, es dürfte vielmehr die Summe an Konservierungs- und Farbstoffen sein, die in Fertigprodukten enthalten sind." So konnten etwa Forscher des Universitätsspitals Zürich zeigen, dass Nanopartikel des Farbstoffs Titandioxid, der Dragees, Kaugummis oder Marshmallows ein blütenweißes Aussehen verleiht, die Schleimhautbarriere stören und akute Darmentzündungen verstärken. Doch auch dieser Effekt wurde bislang nur im Mausmodell nachgewiesen.

Gasche empfiehlt seinen Patienten, gänzlich auf Fertigprodukte zu verzichten und auf eine ausgewogene Mischkost zu achten. "Ein chronisch entzündeter Darm kann mit 'sauberer Nahrung' in Schach gehalten werden. Bei einem Teil erreicht man damit sogar eine langfristige Remission der Symptome." Wer also auf Nummer sicher gehen will, muss mit frischen Zutaten selbst kochen. (Günther Brandstetter, 3.11.2018)