Heinrich Steinfests Roman steht auf der Shortlist zum Österreichischen Buchpreis, der am Montag vergeben wird.

cover: Piper-Verlag

Wird es eines Tages ein Kompendium exotischer Jobs und krauser handwerklicher Berufsbilder in Heinrich Steinfests Romanwerk geben? Nun gesellt sich zu Haischwimmen oder Baumheilen das Bügeln. Aber ausgefälteter, inner- wie außerweltlich. "Das Schönste waren die weißen Hemden. Und das Schönste hob sie sich immer für den Schluss auf. Vorher kamen die Socken und die Handtücher, die leichten Hosen und nicht zuletzt die Krawatten und Anzüge, die einer besonderen Vorsicht sowie einer tiefen Einsicht in das Material bedurften." Einen Anzug zu bügeln, heißt es in Die Büglerin des seit langem in Stuttgart lebenden Autors, "war gewissermaßen so, als bügle man den ganzen Mann, seine äußere Erscheinung, den Schatten, den er in die Welt warf und durch den er maßgeblich wahrgenommen wurde".

Sie, das ist Antonia Schreiber. Doktorin der Meeresbiologie, nach dem Tod ihrer ruhelosen Meeresforschereltern finanziell mehr als gutgestellt, entsagt sie ihrem alten Leben, als ihre Nichte in einem Kino von einem Amokläufer erschossen wird. Die Schuld, diese nicht geschützt zu haben, sucht Tonia bei sich. Und wird: Büglerin. Schuld und Bügeleisen also.

Wiedergeburt und Walser

Via Hamburg zieht sie nach Heidelberg. Und wird gefragte Plättfrau. Die Universitätsstadt am Neckar lädt Steinfest geradezu ein, neuerlich recht skurrile Protagonisten aufzufahren, grapschende Professoren, einen Viktualienhändler, der eigentlich lieber Schriftsteller wäre, an der Krankheit Hyperhidrose, exzessiven Schwitzausbrüchen, leidet, daher sein Geschäft stark herunterkühlt und im rückwärtigen Teil seines Concept-Stores "Das grüne Rollo" Zuckerbäckereien anbietet, die er "bekirschte Schwarzwäldlerinnen" nennt. Rasch biegt alles ab in Richtung kreuz- und querbezüglicher Kaskaden der durchaus semi-angetrunkenen Art. So wenn Steinfest vom schwarzen Quadrat des Attentäters zu Kasimir Malewitschs suprematistischem Schwarzem Quadrat springt, von dort weiterassoziiert von Wiedergeburt zu Whiskey, Weisheit und Torten. Auch Angela Merkel und Martin Walser versieht er mit En-passant-Sottisen.

Wer seit Die feine Nase der Lilli Steinbeck von 2007 Steinfests Kringelprosa mit stetig wachsender Skepsis begegnet ist, wer Gewitter über Pluto flau, ja missraten fand, Das grüne Rollo (vom Verlag teils in Grün gedruckt) als Science-Fiction-Parodie-Petitesse goutierte, wen das mehr als überlang sich hinziehende Leben und Sterben der Flugzeuge ennuyierte, der wird nun einen etwas ruhigeren Autor finden. Auf einige geistreiche Formulierungen zwischen überreichlich viel Dampfarabesken stößt man. Etwa, auf einen Korpulenten gemünzt: "Er hätte sich zum dünnen Mann einfach nicht geeignet." Oder auch die Einschätzung: "Tanzen ist eine der schönsten Arten, etwas gänzlich Sinnloses zu tun, bei dem man keinen Meter vorwärtskommt." Am Ende wird hier aber doch nur mit destilliertem Wasser gekocht, Pardon: gebügelt. (Alexander Kluy, 3.11.2018)