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In mühevoller Handarbeit bekämpften die Feuerwehrleute 2014 mehr als 1000 Glutnester. Erst in der dritten Nacht kam der rettende Schneefall.

Foto: Picturedesk / zeitungsfoto.at / APA / Daniel Liebl

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Mehr als acht Millionen Liter Löschwasser mussten auf den Berg gebracht werden.

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Drei Tage und drei Nächte lang wütete das Feuer. Erst der am Samstag einsetzende Schneefall brachte Erlösung. "Sonst hätte es wohl wochenlang weitergebrannt. Die Glutnester waren bis einen Meter tief im Boden", sagt Bernhard Fischler.

Diesen Einsatz im März 2014 wird der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Absam nie vergessen. Seine Truppe sah sich plötzlich mit dem größten und verheerendsten Waldbrand der jüngeren Tiroler Geschichte konfrontiert.

Auslöser des Infernos war eine achtlos weggeworfene Zigarette. Ein junger Mann aus dem Nachbardorf Mils ging am 20. März 2014 am Absamer Hochmahdkopf mit seinem Hund spazieren, als ihm auf der Höhe Redermacher das Missgeschick passierte. Er soll noch versucht haben, das Feuer mit bloßen Händen zu ersticken. Vergebens.

Trockenheit als Zündstoff

"Da hat alles zusammengespielt", sagt Fischler. Der März 2014 war außergewöhnlich trocken. Auf dem 1738 Meter hohen Absamer Vorberg, wie der Hochmahdkopf im Ort wegen seiner Schutzfunktion hinsichtlich Lawinen und Muren genannt wird, waren Latschenfelder und Bergwiesen ausgedörrt.

Zudem herrschte an diesem Donnerstag Föhnwetterlage. Der Wind fachte das Feuer erst richtig an. "Fast genau ein Jahr zuvor hatten wir an derselben Stelle einen Einsatz wegen Blitzschlages", erinnert sich Fischler. Weil es aber nicht so trocken war, konnte man schnell Brand aus geben.

Ein Jahr später war alles anders. Um 10.33 Uhr langte der erste Notruf ein, abgesetzt von dem jungen Mann, der den Brand ausgelöst hatte. Zu Beginn dachten die Einsatzkräfte wieder an ein einfach zu bewältigendes Brandgeschehen. Der zufällig verfügbare Polizeihelikopter Libelle flog einen kleinen Löschtrupp auf den Berg.

Doch mit dem Wind breitete sich das Feuer explosionsartig aus. Einsatzleiter Fischler erinnert sich an dramatische Stunden, es ging um Leben und Tod: "Wir mussten unsere Männer so schnell wie möglich vom Berg holen, weil sie plötzlich vom Feuer eingeschlossen waren."

Rodelhütte als Grenze

Das Inferno von Absam führte nachträglich zu einer Überarbeitung der Einsatzpläne. Denn 2014 gab es für Waldbrände noch ein schwerfälliges Standardprozedere. Die benötigten Hubschrauber mussten schriftlich über die Leitstelle angefordert werden. Die schrieb den Auftrag wiederum aus und entschied dann, welcher Anbieter zum Zug kam. Das dauerte mitunter Stunden.

Zeit, die man in Absam nicht hatte, wie Fischler erzählt: "Es war sauknapp, wir haben sie gerade noch rechtzeitig runterholen können."

In der Nacht auf Freitag wütete das Feuer ungehemmt. "Wir konnten über Nacht niemanden auf dem Berg oben lassen. Das war zu gefährlich", sagt Fischler. Im gesamten Inntal, von Innsbruck bis Schwaz hinunter, war der Feuerschein zu sehen. In Absam selbst tat der ganze Ort kein Auge zu. Alles starrte gebannt auf die Feuersbrunst, die den Häusern oben beim Frauental bedrohlich nahe kam. Man konnte die Hitze im Dorf förmlich spüren.

"Wir haben für uns selbst bei der Rodelhütte die Grenze gezogen", erklärt Fischler die Brandbekämpfungstaktik, die er sich hatte spontan einfallen lassen müssen. Seit den 1980er-Jahren führt ein Forstweg zum Runstboden, wo eine der beliebtesten Rodelstrecken startet.

Absam gilt als Rodelmekka Tirols, viele österreichische Olympiasieger und Weltmeister, wie die Linger-Brüder, stammen aus dem Ort. Daher wurde die Rodelhütte für die Feuerwehr zum Symbol: "Wir mussten sie um jeden Preis halten." Zu diesem Zweck wurde sie komplett mit Löschschaum eingedeckt.

Gewaltiges Feuer

Was Fischler und seine Männer in dieser Nacht erlebt haben, verfolgt ihn bis heute: "Die Flammen schlugen uns meterhoch entgegen, Funkenflug kam waagrecht daher, und immer wieder rollten vom steilen Gelände brennende Grasballen auf uns zu." Er werde nie vergessen, wie vor seinen Augen trockene Nadelbäume "durchgezunden" haben. Die Wucht des Feuers war gewaltig.

Irgendwie schafften sie es, die Flammen über dem Forstweg zu halten. Andernfalls wäre der komplette Schutzwald zerstört worden, und auch die ersten Häuser wären betroffen gewesen.

Absam hat zwar eine lange Geschichte an Waldbränden, wie der Ortschronist Peter Steindl weiß, aber dieser war anders: "Von 1923 bis 1988 vernichteten 20 Waldbrände eine Fläche von insgesamt 100 Hektar." Zum Vergleich: Beim Feuer 2014 verbrannten über 70 Hektar.

Schutz vor anderen Naturgefahren

Dieser Verlust bedeutet für die Menschen im Tal eine reale Gefahr. Denn der Bewuchs der steilen Bergflanke sorgt für Schutz vor anderen Naturgefahren. "Der Kampf ums Tal beginnt bei uns auf dem Berg", sagt Steindl und erzählt: Früher schleppten die Absamer in Rucksäcken Setzlinge zur Wiederaufforstung in die Steilhänge.

Auch heute helfen alle zusammen, um die Feuerschäden zu beseitigen. Unter Federführung des Forstamtes und der Wildbachverbauung leisten Freiwillige aus dem Ort unzählige Stunden Arbeit. "Heuer konnten wir die Kunstbauten abschließen, allein das hat zwei Mio. Euro gekostet", sagt Bürgermeister Arno Guggenbichler (SPÖ).

Bis die Wiederaufforstung abgeschlossen ist, wird es noch 20 weitere Jahre dauern. Wildverbiss ist ein großes Problem. Daher dürfen die Gämsen auf dem Hochmahdkopf ganzjährig bejagt werden.

Das Feuer hat sich tief ins Bewusstsein der Bevölkerung eingebrannt. In Trockenphasen, wie diesen Sommer, wandert der Blick immer wieder sorgenvoll hinauf. Oft genügt eine Nebelschwade an der Bergflanke, und im Rüsthaus läutet das Telefon.

87 Prozent der Gemeindefläche Absams sind Natura-2000- oder Landschaftsschutzgebiet. Schönheit, die zur Bedrohung werden kann. Das führte der Brand 2014 vor Augen. Der Verursacher wurde übrigens nicht zur Rechenschaft gezogen. Der damals 18-Jährige wäre ruiniert gewesen, Absam erwies sich als großzügig. Heute ist der Bürgermeister enttäuscht: "Er hat sich trotzdem nie bei uns entschuldigt." (Steffen Arora, 3.11.2018)