Zähne sind verblüffend akkurate Archive der Lebensumstände ihrer ursprünglichen Träger. Annähernd so wie die Jahresringe von Bäumen konservieren sie im Zahnschmelz Schicht für Schicht die klimatischen Verhältnisse, unter denen ihre früheren Inhaber über die Jahrzehnte hinweg gelebt haben, welche Art von Nahrung sie wann zu sich genommen haben und sogar in welcher Jahreszeit sie zur Welt gekommen sind. Für Archäologen sind Zähne damit eine unschätzbare Informationsquelle.

Neandertalerzähne verraten viel über ihre ursprünglichen Besitzer.
Foto: Tanya M. Smith/ Griffith University

Dieses historische Reservoir hat kürzlich ein Team um Tanya Smith von der Griffith University im australischen Brisbane angezapft, um mehr über die konkreten Lebensbedingungen von europäischen Neandertalern herauszufinden. Die Wissenschafter nutzten dafür rund 250.000 Jahre alte Zähne zweier Neandertaler aus dem Südosten Frankreichs, die sie auf die Verteilung bestimmter Sauerstoffisotope und die Konzentrationen des Elements Barium hin analysierten.

Wann Neandertaler abgestillt haben

Während die festgestellten Sauerstoffvarianten zeigten, dass einer der beiden Frühmenschen offenbar im Frühling geboren wurde, ergab die Bariumanalyse sogar detaillierte Informationen zu den ersten Lebensjahren der betreffenden Person. Da Barium hauptsächlich über die Muttermilch aufgenommen wird, ließ sich aus der Zahnuntersuchung schließen, dass einer der Neandertaler bis zu seinem neunten Lebensmonat ausschließlich mit Muttermilch ernährt wurde.

Ab da sank der Bariumgehalt auf ein niedrigeres Niveau ab, das für weitere zweieinhalb Jahre konstant blieb. Danach fiel er noch einmal signifikant, was die Forscher als Anzeichen werteten, dass der betreffende Neandertaler da endgültig abgestillt wurde.

Beinahe so wie bei den Jahresringe von Bäumen lässt sich Schicht für Schicht analysieren, wie das Leben ihrer Träger verlaufen ist.
Illustr.: Tanya Smith, Daniel Green/Griffith University

Viel Blei mit unklarer Herkunft

Besonders verblüffend war laut der im Fachmagazin "Science Advances" präsentierten Studie allerdings ein anderer Befund: In den Zähnen beider Neandertaler fanden sich Hinweise darauf, dass diese in ihrer Jugend mehrmals erhöhten Bleikonzentrationen ausgesetzt gewesen sein mussten. Die Analysen lieferten damit die ältesten Nachweise einer Bleibelastung in menschlichen Überresten – woher die Schwermetallkontamination stammte, bleibt allerdings vorerst ein Rätsel.

Immerhin aber konnten Smith und ihre Kollegen feststellen, dass die betroffenen Neandertalerkinder das Blei während der kalten Jahreszeit aufgenommen hatten. (Thomas Bergmayr, 2.11.2018)