Laut "Profil" hat der Mann nur durch Ausübung seiner "maskulinen Energie" seit dem Neandertal überlebt. Wie es Frauen bis in die Gegenwart schafften, blieb offen.

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Das Magazin "Profil" gewährte diese Woche dem Publikum die Wohltat einer Titelgeschichte über Männer in der Identitätskrise. Sie fiel zeitlich zusammen mit dem Auftauchen von Plakaten und Inseraten in "Österreich" und der "Kronen Zeitung", wo drei ölig feixende Typen in Anzug und Krawatte angestrengt bemüht sind, die "Profil"-Autorin zu widerlegen, jeden Eindruck zu verwischen, sie pinkelten im Sitzen, und den zu verstärken, nur sie würden Wien verstehen. Laut der Redaktionsmitteilung näherte sich die Verfasserin dem Phänomen nicht im Modus der Attacke, vielmehr lässt sie sich von einem neugierigen Mitgefühl leiten, das nur dann in sarkastisches Erbarmen umschlägt, wenn der Mann des 21. Jahrhunderts angesichts der mannigfaltigen Herausforderungen, mit denen er konfrontiert ist, bei den primitivsten Macho-Reflexen Zuflucht sucht.

Mit der Formel Zuflucht bei den primitivsten Macho-Reflexen erhalten Leserinnen und Leser einerseits einen Hinweis, um wen es sich bei den drei Zuflüchtigen handeln könnte, andererseits den Fingerzeig auf eine kleine Schwäche der Story. Als Exemplare des geschwächten Geschlechts werden alle möglichen Beispiele angeführt, vom Fußballer über einen Starkoch bis zum Schriftsteller. Ausgespart blieb der Typ Mann, dessen maskuline Energie in der menschlichen Gesellschaft den größten Schaden anrichten kann, wenn er angesichts der mannigfaltigen Herausforderungen, mit denen er konfrontiert ist, bei den primitivsten Macho-Reflexen Zuflucht sucht – der freiheitliche Politiker.

Sie sorgen für Sicherheit

Das ist schade, hätte es bei Betrachtung der erwähnten Werbebotschaften helfen können, sich den darin versteckten primitivsten Macho-Reflexen, wenn schon nicht mit neugierigem Mitgefühl, dann wenigstens mit sarkastischem Erbarmen zu nähern. So behaupten die drei wie jeder dahergelaufene Macho: Wir sorgen für Sicherheit, und wollen das mit Phrasen belegen wie Polizei aufgestockt, illegale Zuwanderung gestoppt, konsequente Abschiebungen oder gar mit dem Versprechen: Radikalen Islam verbieten. Ist das erledigt, sollte es auch kein Problem mehr sein, für Fairness, Gesundheit, für leistbares Wohnen, und wer weiß für alles was noch, zu sorgen, obwohl bisher keiner der drei in Wien je für etwas anderes gesorgt hat als für Trachtenbesäufnisse auf der Wiese und ein hässliches Denkmal für Trümmerfrauen. Dieses gäbe es nicht, hätten ihre geistigen Ahnen nicht für die Trümmer gesorgt und erst dafür, dass sich die Wienerinnen und Wiener am Anblick straßenwaschender Juden amüsieren durften. Das waren eben noch ungeschwächte Männer.

Und heute? Der Rechtspopulismus in Europa und den USA nährt sich von diesem männlichen Bedürfnis nach "maskuliner Energie", zitiert "Profil" einen Autor, der fordert, dass Männer aufhören sollten, "liebevoll, verständnisvoll, bemüht und nachgiebig" zu sein, denn solche Attribute würden direkt in die "Nettigkeitsfalle" führen. Schließlich habe der Mann nur durch Ausübung seiner "maskulinen Energie" seit dem Neandertal überlebt. Wie es Frauen bis in die Gegenwart schafften, blieb offen. Die Botschaft der drei Grinser ist klar. Nur Männer, die nicht im Sitzen pinkeln, können Gefahren abwenden, die Österreich drohen.

Es ist nicht leicht, dem Neandertaler zu entkommen

Beispiel Umvolkung. Heute ist diese "österreichische Nation" (immer unter Anführungszeichen) in vielerlei Hinsicht gefährdet, klagt Andreas Mölzer in "Zur Zeit". Der Mann hat es wirklich schwer. Erst die schmerzliche Hinwendung des Dritten Lagers zum Österreich-Patriotismus, und kaum ist dieser Brocken nach außen hin verdaut, geht es schon wieder los. Just ihre demonstrativsten Apologeten aus dem vormaligen rot-schwarzen Proporz-Establishment der Zweiten Republik haben sie einerseits der Europäisierung und damit der Nivellierung durch die Globalisierung preisgegeben und andererseits durch das Zulassen der Massenimmigration mit dem Höhepunkt des Ansturms im Jahre 2015 der ganz offensichtlichen Ethnomorphose ("Umvolkung" ist ja ein Pfui-Wort).

Man sollte sich diesen Ergüssen mit sarkastischem Erbarmen nähern. Es ist nicht leicht, dem Neandertal zu entkommen. Aber es gibt Hoffnung. Auf zwei Seiten berichtet "Magyar Demokrata" mit unübersehbarer Sympathie über das jüngst veranstaltete Familienfest der Freiheitlichen im Wiener Wurstelprater. Überschrift: "Die Familie ist am wichtigsten." Gemeint ist natürlich die, die von keiner Indexierung betroffen ist. Aber das wissen die Ungarn noch nicht. (Günter Traxler, 3.11.2018)