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In den USA stapelten sich zurückgerufene VW-Modelle, in Europa dürfen sie mit neuer Software weiterfahren.

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Die Massenklage der Konsumentenschützer des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) gibt einen Vorgeschmack, wie der Volkswagen-Konzern mit der Feststellungsklage des deutschen Verbraucherschutzverbandes umgehen wird. Volkswagen geht mit seiner Klagebeantwortung, salopp ausgedrückt, zurück zu Adam und Eva. Die Nummer eins der Autobauer bestreitet alles, selbst Sachverhalte, die seit Auffliegen des Dieselskandals vor drei Jahren längst als unstrittig gelten.

Wiewohl vom deutschen Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Europa zu einem Massenrückruf verpflichtet, weil in rund elf Millionen Autos der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Motor EA 189 eine "unzulässige Abschalteinrichtung" verbaut wurde (Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen des KBA), bestreiten die Rechtsvertreter von Volkswagen, dass sich in der Motorsteuerung der Fahrzeuge eine "Umschaltlogik" (vulgo Schummelsoftware) befand. Die hat – vereinfacht ausgedrückt – die Abgasreinigung deaktiviert, sobald sich der Wagen nicht mehr auf dem Rollenprüfstand, also im Labor, befand. Die Unzulässigkeit dieser Umschaltlogik wird selbstverständlich auch in dem vom KBA ausgefolgten Bescheid attestiert.

Vorwurf der arglistigen Täuschung

Die von der Volkswagen AG beauftragte international tätige Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer geht in ihrer Verteidigung gegen die Vorwürfe der arglistigen Täuschung noch weiter. Die beklagte Partei sei nicht Herstellerin aller knapp 10.000 Fahrzeuge, für die der VKI bei 16 österreichischen Landesgerichten Klagen eingebracht hat, die zusammen die "Sammelklage österreichischer Prägung" des VKI darstellen. Bei einer Vielzahl der streitgegenständlichen Fahrzeuge handle es sich um Fahrzeuge der Marke Audi, Seat und Skoda – und diese seien von der beklagten Partei weder hergestellt, in Verkehr gebracht oder beworben worden. "Es fehlt damit bereits an jener Gemeinsamkeit auf der Sachverhaltsebene, mit der die klagende Partei selbst die Zulässigkeit ihrer Sammelklage begründet, nämlich an deliktischen Ansprüchen, der von den VW-Abgasmanipulationen betroffenen Kfz-Käufer gegen die beklagte Partei als Hersteller der klagsgegenständlichen Kfz'", heißt es in der Klagebeantwortung vom 10. Oktober, die dem STANDARD vorliegt.

Dass in allen Fahrzeugen dieser Marken der inkriminierte Motor EA 189 verbaut wurde und das Kraftfahrtbundesamt bei seiner Rückrufverpflichtung keinen Unterschied zwischen den Konzernmarken machte, ficht Volkswagen nicht an. "Denn soweit die beklagte Partei nicht Herstellerin der streitgegenständlichen Fahrzeuge ist, hat sie weder eine Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt noch Werbung betrieben oder Verträge mit Importeuren bzw. Händlerbetrieben abgeschlossen. Schon allein aus diesem Grund kann eine Zulassung einer Sammelklage nicht erfolgen", so die Conclusio der Beklagten.

Im Einzelfall zu prüfen

Im Gegenteil: Mangels gemeinsamer Grundlage der Ansprüche sei die Täuschung "einzelfallbezogen zu prüfen". Bestritten wird ferner der Wertverlust der Fahrzeuge durch die Manipulationen von zumindest 30 Prozent – und jeglicher Schaden für Fahrzeughalter, die ihr Auto bereits wieder verkauft haben.

Unlogisch ist diese Argumentation auch deshalb, weil Volkswagen in den USA explizit Betrug einbekannt und Milliarden an Strafen und Wiedergutmachung zahlte. In Deutschland wurde aus dem Titel Abgasmanipulation rund eine Milliarde Euro Bußgeld verhängt, weitere 800 Millionen Euro fasste Audi aus. Folgt man den Argumenten von Volkswagen, wären diese Strafen – in Summe mehr als 17 Milliarden Euro – ohne Not und sachliche Grundlage gezahlt worden. Das Gutachten eines technischen Gutachters von der TU in einem Linzer VW-Prozess förderte ja zutage, dass "Volkswägen" ohne Manipulationssoftware die Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand zwei- bis dreifach überschritten hätten.

VKI-Anwalt sieht Verfahrensverzögerung

"Schutzbehauptungen" nennt der Vertrauensanwalt des VKI, Alexander Klauser, diese Art der Verteidigung. Sie diene der Verfahrensverzögerung wie auch das Verlangen, zig Zeugen vorzuladen. "Die Vehemenz, mit der Volkswagen die Realität immer noch negiert, ist schon wieder bewundernswert", ätzt ein anderer VKI-Vertrauensanwalt, Michael Poduschka.

Selbstredend wird die Sammelklage von der Beklagten insgesamt als unzulässig bezeichnet. Dass VW – entgegen der Rechtsmeinung österreichischer Oberlandesgerichte – eine Klage vor einem österreichischen Gericht gegen die Volkswagen AG für unzulässig hält, vervollständigt das Bild. Wie viele Richter damit zu beeindrucken sind, ist offen. Unter Berufung auf die Satzung des Unternehmens hat der Oberste Gerichtshof bis dato nur die Volkswagen-Aktionäre mit ihren Schadenersatzansprüchen nach Wolfsburg beziehungsweise Braunschweig verwiesen. (luise Ungerböck, 2.11.2018)