Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Mexikanerin betet vor der Einnahme einer kalorienreichen Mahlzeit in einem Betreuungsheim in San Antonio.

AP

Tequina Fernandez, in Diensten der Air Force, fordert mehr Geld für die Feuerwehr und weniger dicke Gehaltsschecks für Stadtpolitiker.

Anwältin Pauline Garza (li.) macht Werbung für Velia Meza, die als Bundesbezirksrichterin für die Demokraten kandidiert: "Sie verteidigt Unterprivilegierte vor Gericht, die von der Justiz unfair behandelt werden."

Florian Vetter

Nicky Smith (li.) aus San Antonio über die triste Innenstadt: "Kein Einheimischer verbringt Zeit in Downtown."

Florian Vetter

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Wählermobilisierung läuft auf Hochtouren, trotzdem bleiben viele Latinos den Urnen fern.

AP/Gay

In San Antonio kann man eine Stunde lang an der Broadway Street, einer zentralen Ausfallstraße von Downtown, am Gehsteig entlang gehen ohne einer Menschenseele zu begegnen. Jeder der kann, leistet sich hier ein Auto und sei es noch der kaputteste Kübel auf vier Rädern. Öffentlicher Verkehr und Umweltschutz ist hier kein Thema, bei den Senatswahlen am 6. November geht es um Ausländer, Waffen und das kaputte Sozialsystem.

Und für viele Menschen darum, nach 30 Jahren republikanischer Herrschaft mit Beto O'Rourke wieder einen Demokraten in den US-Senat zu wählen. Nach einem einsamen Spaziergang an Frittenbuden und Diskontsupermärkten vorbei, Eintreffen beim Lions Field Adult and Senior Center, ein Altersheim und Wahllokal. "Die Stadt ist weitläufig, die Gemeinden sind isoliert. Wir müssen mehr miteinander reden, jeder macht hier nur sein eigenes Ding", sagt die Anwältin Pauline Garza und: "Immigration ist ein Problem, sage ich als Frau mit Migrationshintergrund."

Latinos wählen selten

Gemeint hat sie die Latinos. Sie machen fast zwei Drittel der Wahlberechtigten in San Antonio aus, 30 Prozent in ganz Texas, und auf sie haben die demokratischen Wahlkampfhelfer bis in den Stadtwahlkampf um Richterposten den Großteil ihrer Anstrengungen gerichtet. "No necesitamos un muro!" steht auf Schildern, "wir brauchen keine Mauer". Eine "blue wave" in Texas? Fast eine mission impossible, weil kaum eine Gruppe seltener zur Wahl geht als die Latinos, sagt Garza. Und wenn sie gehen, wählen sie in Texas häufig die Republikaner. 40 Prozent gaben beim letzten Mal dem amtierenden Senator Ted Cruz ihre Stimme.

Szenenwechsel, Downtown San Antonio. Der Spaziergang am Riverwalk, eine Art Mini-Venedig, ist eine Touristenfalle mit Mensa-Menüs in Lokalen zu stolzen Preisen. Neben den Bettenburgen der großen Hotelketten verfallen viele Geschäfte, einziger Lichtblick ist die historische Festung Alamo. "Kein Einheimischer verbringt Zeit in Downtown", sagt Nicky Smith, Angestellte bei einem Umwelt-Start-up. "Busfahren ist hier nur etwas für die Ärmsten, eine Modernisierungspolitik findet nicht statt. Eine Straßenbahn war einmal Thema, ist aber längst in Vergessenheit geraten. So regen sich die Leute halt weiter jeden Tag auf, dass sie im Stau stehen. Wir brauchen einen Richtungswechsel in unserer Politik."

Präsident Donald Trump hat Budgets und Fördergelder für die Umweltschutzbehörde EPA drastisch beschnitten, "Die wenigen Öko-Unternehmen, die es hier gibt, arbeiten aber still und heimlich weiter an Projekten, in Erwartung dass Trump nicht wiedergewählt wird und sie dann Förderungen zurückbekommen."

Junk-Food billiger als Wasser

San Antonio ist die zweitärmste Stadt den USA und das kann man sehen. Der Osten der Stadt ist ein großes Ghetto, das sich von Downtown über Jefferson Heights im Osten bis nach New Braunfels erstreckt. Uber-Fahrer sind fast nur Pensionisten, die sich in Altersarmut ein paar Dollar zum Überleben dazuverdienen müssen, Junk-Food kostet weniger als Wasser. Es gibt aber auch schicke Ecken: Im Süden der Stadt werden mondäne Gärten bepflanzt und prächtige Häuser im Kolonialstil erhalten. In San Antonio leben laut einer aktuellen Studie der US-Statistikbehörde 14,5 Prozent der Einwohner in akuter Armut, das heißt mit einem Familieneinkommen von weniger als 25.000 Dollar jährlich. Nur Detroit ist ärmer (14,6 Prozent).

Tequina Fernandez ist Feuerwehrfrau bei der Air Force, sie fordert eine schnellere und unkompliziertere Abwahl von Repräsentanten der Stadt. Und meint damit Sheryll Sculley, die seit 13 Jahren amtierende City Managerin von San Antonio. Die USA leisten sich in eine besondere bürokratische Zweigleisigkeit, neben dem Bürgermeister gibt es in Großstädten einen City Manager, einen Oberstadtdirektor. "Sie ist mit 600.000 Dollar im Jahr die best bezahlte City Managerin der USA. Die Feuerwehrmänner von San Antonio haben seit fünf Jahren keinen Kollektivvertrag, stattdessen werden jedes Jahr Gebühren erhöht", sagt Fernandez.

Fehlender Stolz

Alfonso Ribeiro, eingewandert aus Mexiko, wählt die Republikaner – also den Evangelikalen Ted Cruz. Auf seinem T-Shirt prangt eine USA-Fahne, an seinem Hals hängt ein Kruzifix, und er steht vor einem Einkaufszentrum am Stadtrand von San Antonio. Cruz, sagt Garcia, sei ein echter Latino, sein Vater stamme aus Kuba. O'Rourke hingegen schmücke sich mit einem spanischen Spitznamen, dabei sei er "ein privilegierter Weißer ohne Nationalstolz." Schwarze NFL-Footballspieler knieten in der jüngsten Vergangenheit bei der US-Hymne als Protest gegen Rassismus. "O'Rourke hat es den Spielern nicht übel genommen und ihren Überzeugungen überlassen, was richtig oder falsch ist. Ein großer Fehler. Wir müssen den Stolz auf dieses Land um jeden Preis verteidigen."

Die Latinos sind kein einheitlicher Wählerblock, das weiß auch Beto O'Rourke. Er wird laut Meinungsforschern zwei Drittel ihrer Stimmen für den Sieg brauchen. In San Antonio sieht es zumindest ganz gut aus. Es wird bislang eine hohe Wahlbeteiligung vermeldet. (Florian Vetter aus San Antonio, 4.11.2018)