Hier soll einmal Kernfusion stattfinden: Der derzeit im Bau befindliche International Thermonuclear Experimental Reactor (Iter) in Südfrankreich.

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Es war eine der letzten Reisen von Microsoft-Mitgründer Paul Allen. Kurz vor seinem Tod machte sich der Tech-Milliardär in den Süden Frankreichs auf. Sein Ziel: ein gerade im Bau befindlicher thermonuklearer Reaktor. Dort soll das erprobt werden, was der Physiker Stephen Hawking einst die "vielversprechendste Zukunftstechnologie der Menschheit" genannt hatte: Fusionsenergie.

Doch Allens Engagement war kein Ausreißer: Längst ist unter Tech-Milliardären ein regelrechter Wettlauf rund um dieses Thema entbrannt. Ob Amazon-Chef Jeff Bezos, Microsoft-Gründer Bill Gates oder Investor Peter Thiel, alle investieren sie derzeit massiv in Start-ups, deren Ziel es ist, diese neue Energiequelle kommerziell nutzbar zu machen.

Zukunftshoffnung

Wissenschafter sind schon lange davon überzeugt, dass in der Kernfusion die Zukunft der Energieerzeugung besteht. Statt wie bei bestehenden Reaktoren Atomkerne zu spalten, werden diese hier verschmolzen – ähnlich wie es in der Sonne passiert. Das ist an sich auch nicht das Problem, die Herausforderung ist aber, das mit weniger Aufwand an Energie zu erreichen, als dann bei der Fusion erzeugt wird. Und dafür müssen Verhältnisse ähnlich jenen im Weltall nachgebaut werden – was natürlich ein kostspieliges Unterfangen ist. Und genau hier kommen die tiefen Taschen der IT-Milliardäre gerade recht.

"Wir haben einen Space-X-Moment für Kernfusion", formuliert es Christofer Mowry, Chef von General Fusion Inc., einem von Jeff Bezos finanzierten Start-up, gegenüber Bloomberg. Ähnlich wie vor einigen Jahren bei dem Raumfahrtunternehmen steige das Interesse derzeit rasant an. Das liege einerseits an kommerziellen Interessen, aber auch an allgemeineren Überlegungen. Die Auswirkungen des Klimawandels zeigten, wie dringlich die Suche nach alternativen Energiequellen sei. Die Regierungen würden aber nicht mit dem notwendigen Nachdruck an diesem Thema arbeiten, kritisiert Mowry.

Dass das Interesse an Fusionsenergie boomt, zeigt aber auch eine andere Zahl: Im Rahmen der vor kurzem in Indien abgehaltenen Konferenz der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wurden 800 Forschungspapiere eingereicht – ein neuer Rekordwert.

Ambitionierte Ziele

Dass man früher oder später eine kommerziell verwertbare Form der Kernfusion entwickeln wird, darin sind sich alle Beteiligten einig. Die Frage ist nur, wann. Eines der ambitioniertesten Unterfangen nennt sich Commonwealth Fusion Systems, eine von sechs MIT-Professoren gegründete Firma. Diese hofft, bis zum Jahr 2025 einen funktionstüchtigen Prototyp entwickeln zu können. Das Geld dafür liefert unter anderen Breakthrough Energy Ventures, ein Fonds, an dem neben Gates und Bezos auch der Virgin-Chef Richard Branson beteiligt ist. Und auch Firmen, von denen man es auf den ersten Blick nicht erwarten würde, zeigen Interesse: Die italienische Erdölfirma Eni SpA hat vergangenen März 50 Millionen bei Commonwealth Fusion Systems investiert – mit dem Ziel, sich auf die Zukunft der Energiegewinnung vorzubereiten. (red, 4.11.2018)