Ihnen allen würde eine Wahrsagerin wohl ein und denselben Satz sagen: "Sie stehen vor großen Veränderungen." Markus Söder...

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... Horst Seehofer...

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... und Angela Merkel.

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Das ging ja fix. Nur drei Wochen nach der bayerischen Landtagswahl steht dort jenes Bündnis, das Deutschland eine neue Koalitionsvariante bringt: die "Spezi-Koalition", benannt nach dem picksüßen Getränk aus schwarzem Cola und Orangenlimonade. Schwarz ist die CSU, Orange ist die Farbe der Freien Wähler (FW), mit denen die CSU koaliert, weil sie nach dem Verlust der absoluten Mehrheit einen Partner braucht.

"Wir sind durch", hatte Ministerpräsident Markus Söder am Freitagabend verkündet. Nach der Zustimmung der Parteigremien am Sonntagabend unterzeichneten die Verhandlungsführer Montagfrüh den neuen Koalitionsvertrag – wenige Stunden vor der konstituierenden Sitzung des Landtags. Ein Superministerium (Wirtschaft, Energie, Landesentwicklung) bekommt Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der auch Vizeministerpräsident wird. Zudem gehen Kultus- und Umweltministerium an die Freien Wähler. Die CSU wird ein neues Digitalministerium leiten.

"Bewahrung der Schöpfung" als Koalitionsziel

"Unsere gesamte Politik richten wir noch stärker auf die Bewahrung der Schöpfung aus", heißt es im Koalitionsvertrag. Darin versprechen CSU und FW mehr Zuschüsse für Kindergärten und Krippen, eine Evaluierung des umstrittenen Polizeiaufgabengesetzes und den Erhalt der bayerischen Grenzpolizei. Die dritte Startbahn am Flughafen München kommt bis 2023 nicht.

Am Dienstag wird Söder wieder zum Ministerpräsidenten gewählt. Dann werde er sich voll auf das Regieren konzentrieren, könnte man meinen. Schließlich hat er nun die FW und den omnipräsenten Aiwanger an der Seite – und die AfD in der Opposition.

Merkels Rückzug ändert Lage

Doch Söder hat, so munkelt man bereits in München, noch eine andere Mission. Er will nun doch CSU-Chef werden. Bisher hatte er an diesem Amt wenig Interesse. Zweimal hat ihm Horst Seehofer, als dieser selbst noch Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender war, den Job schon angetragen. Doch Söder lehnte ab.

Wie für Seehofer ist das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten auch für ihn das höchste. Dazu kam bisher: Söder hatte keine Lust, sich in Berlin mit Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel auseinanderzusetzen. Doch vor einer Woche hat Merkel ihren Abgang auf Raten eingeleitet, zunächst zieht sie sich Anfang Dezember vom CDU-Vorsitz zurück. Das hat bei Söder offenbar ein Umdenken bewirkt.

Seehofer kann nicht Chef bleiben

Seehofer kann nicht weiterhin Parteichef bleiben, das ist allen klar. Sein Rückhalt ist überall geschwunden: in der Partei, in der Landtagsfraktion und auch in der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Doch er hatte nach der Wahl folgende Losung ausgegeben: Zuerst müsse die Koalition unter Dach und Fach gebracht werden, danach sei er bereit, auch über personelle Konsequenzen zu reden.

Nach dem 12. November, wenn das gesamte bayerische Kabinett vereidigt ist, will Seehofer eine Erklärung über seine persönliche Zukunft abgeben. Für Söder in der Doppelrolle spricht sich der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) aus: "Wenn der Parteivorsitz – wann auch immer – frei wird, ist Söders Zugriff ein Muss. Ministerpräsident und Parteivorsitz muss dann wieder in eine Hand."

Warnung vor Rechtsruck

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll der Wechsel von Seehofer zu Söder an der Parteispitze bei dem Sonderparteitag am 8. Dezember erfolgen. Passiert dies so, dann bekäme die CSU einen Tag nach der CDU einen neuen Chef. Angela Merkel gibt ihr Amt am 7. Dezember beim Parteitag in Hamburg ab. Als Nachfolger kandidieren Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und der frühere Fraktionschef Friedrich Merz.

Am Sonntagnachmittag kam die CDU-Führung zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Nachdem schon der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet vor einem Rechtsruck unter neuer Führung gewarnt hatte, sagt auch der Regierungschef von Schleswig-Holstein, Daniel Günther: "Es darf keinen Bruch geben mit dem Kurs der Mitte der letzten Jahre." Er warnte auch vor einer einseitigen Fixierung auf das Thema Migration und stellte sich damit gegen Spahn, der sich stark auf dieses Thema konzentriert.

Spahn: Österreich "Mahnung, nicht Vorbild"

In der "Welt am Sonntag" sagte Spahn, Österreich sei in einem Punkt "Mahnung, nicht Vorbild". Er wolle in Deutschland "nie in eine Situation kommen, in der eine rechtspopulistische Partei entscheidet, wer regiert". In Österreich habe das die FPÖ getan.

Auch die SPD ging am Sonntag in Klausur. Deren Vorsitzende Andrea Nahles ließ am Wochenende in der "SZ" ihren Frust angesichts der vielen Kritik an ihr aus den eigenen Reihen ab und erklärte: "Wenn jemand meint, es schneller oder besser zu können, soll er sich melden." (Birgit Baumann aus Berlin, 4.11.2018)