Hans-Georg Maaßen wird in den Ruhestand versetzt.

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Berlin – Deutschlands Innenminister Horst Seehofer schickt Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen nach wochenlangen Querelen in den Ruhestand. Der Schritt sei nach den jüngsten Aussagen Maaßens im Skript einer Abschiedsrede unvermeidlich, sagte der CSU-Chef am Montag in Berlin. "Von linksradikalen Kräften in Teilen der SPD zu reden, halte ich für nicht akzeptabel." Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei so – in welcher Funktion auch immer – nicht mehr möglich.

Maaßens Stellvertreter Thomas Haldenwang solle das Bundesamt für Verfassungsschutz nun bis zu einer abschließenden Entscheidung leiten. "Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass mir das Signal dieser Entscheidung wichtig ist: Nämlich die sachorientierte Arbeit in der Koalition zu unterstützen und auch voranzutreiben", sagte Seehofer, nachdem am Fall Maaßen vor einigen Wochen beinahe die Koalition aus Union und SPD zerbrochen war.

Kritik an Rede

Seehofer warf Maaßen eine Grenzüberschreitung vor, wenn er die gesamte Zuwanderungspolitik als naiv und links beschreibe. Abgesehen davon habe Maaßen im Innenausschuss mehrfach seine früheren Interview-Äußerungen bedauert, die die Koalitionskrise ausgelöst hatten. "Wenn man es dort bedauert, kann man nicht hier in diesem Redemanuskript wieder diese Dinge so formulieren, wie sie formuliert sind."

Er habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier daher gebeten, Maaßen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Bis zu dessen Entscheidung sei Maaßen von seinen Pflichten freigestellt. In Abstimmung mit der Koalition werde er dem Kabinett zeitnah einen Vorschlag für Maaßens Nachfolge vorlegen.

Doch kein Posten im Innenministerium

Seehofer hatte sich vor einigen Wochen vehement vor Maaßen gestellt und ihm nach dessen umstrittenen Äußerungen zu rechtsextremen Vorfällen in Chemnitz einen Posten im Innenministerium zugesagt.

Maaßen hat einem Medienbericht zufolge selbst um die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten. Ein entsprechendes Ersuchen habe er in der vergangenen Woche an das Innenministerium gerichtet, berichteten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe unter Berufung auf Sicherheitskreise.

"Deutsche Medienmanipulation und russische Desinformation"

In einem Manuskript für eine Rede vor den Chefs der europäischen Inlandsgeheimdienste am 18. Oktober in Warschau hat Maaßen Berichte über angebliche "Hetzjagden" in Chemnitz mit russischen Desinformationskampagnen verglichen, wie der "Spiegel" berichtet. Er habe bereits "viel an deutscher Medienmanipulation und russischer Desinformation erlebt".

"Dass aber Politiker und Medien 'Hetzjagden' frei erfinden oder zumindest ungeprüft diese Falschinformation verbreiten, war für mich eine neue Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland", wird Maaßen zitiert. Er habe im September in der "Bild"-Zeitung klargestellt, dass es nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden keine rechtsextremistischen "Hetzjagden" gegeben habe. "Die Medien sowie grüne und linke Politiker, die sich durch mich bei ihrer Falschberichterstattung ertappt fühlten, forderten daraufhin meine Entlassung."

Laut "Spiegel" schrieb Maaßen, es sei "für linksradikale Kräfte in der SPD, die von vorneherein dagegen waren, eine Koalition mit der CDU/CSU einzugehen", ein willkommener Anlass gewesen, um den Bruch der Koalition zu provozieren. "Da ich in Deutschland als Kritiker einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik bekannt bin, war dies für meine politischen Gegner und für einige Medien auch ein Anlass, um mich aus meinem Amt zu drängen."

Maaßen ließ in der Rede offen, ob er überhaupt als Sonderberater ins Innenministerium wechseln wolle, wie es Seehofer ursprünglich vorgesehen hatte. Er könne sich "auch ein Leben außerhalb des Staatsdienstes zum Beispiel in der Politik oder in der Wirtschaft vorstellen". Das Redemanuskript war im Intranet des Bundesamts für Verfassungsschutz für die Mitarbeiter abrufbar, ob Maaßen die Rede so gehalten hat, wird geprüft.

ORF

Die SPD forderte von Seehofer Konsequenzen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte am Montag im ZDF, er sei zuversichtlich, "dass Herr Seehofer als Innenminister da schnell entscheiden wird". "Das, was durchsickert aus dieser Rede, das ist nicht angemessen", sagte Klingbeil.

Massive Kritik

Maaßen war im Sommer wegen eines Interviews in die Kritik geraten, in dem er die Echtheit eines Videos zu den Ausschreitungen in Chemnitz vom August anzweifelte und bestritt, dass es dort Hetzjagden gegeben hatte. Auch seine Kontakte zu AfD-Politikern hatten für Irritationen gesorgt.

Die große Koalition aus Union und SPD stritten wochenlang über Maaßens Zukunft. Nach einer anfänglich geplanten Beförderung zum Staatssekretär wurde letztlich vereinbart, dass er als Sonderberater für europäische und internationale Fragen ins Innenministerium wechseln solle. Angesichts der neuen Äußerungen soll er nun aber offenbar in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.

"Alleingänge" und "Absurdität"

"Nicht ohne Grund haben wir vor Wochen die Entlassung Maaßens wegen seiner ständigen Alleingänge und Querschläger gefordert", erklärte der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka am Sonntag. Inzwischen sei "offensichtlich auch Herr Seehofer zu dieser Einsicht gekommen", allerdings "sehr spät". Das mache auch Seehofer zum "Verlierer".

SPD-Fraktionsvize Eva Högl beklagte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass durch Maaßens "sichtbare Neigung zu rechtspopulistischen Ansichten" viel Vertrauen in das Bundesamt für Verfassungsschutz verlorengegangen sei.

CDU-Vize Armin Laschet sagte dem ZDF, der Fall Maaßen sei "an Absurdität nicht zu überbieten". Wenn von Maaßens Seite "jetzt noch nachgekartet wird, glaube ich, dass der Bundesinnenminister sicher über Konsequenzen nachdenkt".

Der FDP-Innenpolitikexperte Benjamin Strasser erklärte, Maaßen hätte "schon vor Wochen aufgrund seiner zahlreichen Grenzüberschreitungen gehen müssen". Stattdessen habe Seehofer "stur seine Hand über Maaßen gehalten". Dieser stehe nun "vor dem Scherbenhaufen seiner verqueren Personalpolitik".

Der Vizefraktionschef der Linken, Andre Hahn, erklärte, Maaßen fehle "offenkundig jegliches Schuldbewusstsein". "Wer selbst Politik machen will, ist weder als Behördenleiter noch als hochrangiger Ministerialbeamter tragbar." Bei der Innenausschusssitzung am Mittwoch "sollte sich dann auch Horst Seehofer erklären und am besten gleich mit seinen Hut nehmen, nachdem er Maaßen bis zuletzt in Schutz genommen hatte".

Nachfolger noch unbestätigt

Nachfolger Maaßens als Verfassungsschutzpräsident soll Berichten zufolge dessen bisheriger Vize Thomas Haldenwang werden. Das Innenministerium hat die Berufung des 58-jährigen Juristen bisher allerdings nicht bestätigt. (APA, 5.11.2018)