Die Schaufel eines Abrissbaggers schlägt gegen eine rotbraune Ziegelwand. Auf einem Rasenstück liegt verrottetes Holz, zu einem Haufen zusammengeschoben, aufgeweicht, weil das Haus seit längerem nur noch Fragmente eines Dachs hatte. Es ist eine der ersten Ruinen, die Lou Mavrakis abreißen lässt, der Direktor für Stadtentwicklung in Monessen. Etwa 400 davon gibt es in seiner Stadt. Eine der hässlichsten, zentral gelegen an der Schoonmaker Avenue, der einstigen Geschäftsstraße mit ihren nunmehr zerbrochenen Schaufenstern und verrammelten Läden, kann er endlich verschwinden lassen. Ein Lichtblick, aber nur ein kleiner.

Mavrakis hat auf Donald Trump gesetzt, eher aus Verzweiflung denn aus Überzeugung. Vor der Wahl des Jahres 2016 hatte er zweimal an Barack Obama geschrieben, mit der Bitte um schnelle Hilfe für seine notleidende Gemeinde. Da eine Antwort ausblieb, lud er schließlich Trump nach Monessen ein. Mavrakis war damals Bürgermeister, und der Populist bekam eine Kulisse, die zu seiner Botschaft passte, als hätte Hollywood sie extra für ihn in die Landschaft gesetzt. Zwischen erkalteten Schloten konnte er den Rächer der Abgehängten geben, der die vergessenen Männer und Frauen in den vergessenen Stahltälern aus ihrem Elend erlöst.

Stadtbild wie nach einem Luftangriff

In den zwei Jahren seit seinem Wahlsieg hat sich so gut wie nichts verändert in der krisengebeutelten Stadt. An der Schoonmaker Avenue sieht es noch immer aus wie nach einem Luftangriff. Mavrakis verlor seinen Bürgermeisterposten, weil ihm Wähler, die auf ein Wunder gehofft hatten, die Nähe zu Trump nachträglich übelnahmen. Inzwischen leitet der ehemalige Stahlkocher die örtliche Re-Development Authority, was in der Praxis nichts anderes bedeutet, als Ruinen niederzureißen, ohne zu wissen, was an ihrer Stelle entsteht. Immerhin hat er 300.000 Dollar aufgetrieben, um wenigstens mit dem Zertrümmern beginnen zu können. Aus dem Weißen Haus, sagt Mavrakis, habe er so wenig gehört wie vor der Wahl Trumps.

Lou Mavrakis, der ehemalige Bürgermeister von Monassen, steht zu Trump.
Foto: Herrmann

Zeitlebens hat Mavrakis Demokraten gewählt, bis er in seiner Ratlosigkeit auf den Immobilientycoon setzte. Wer glaubt, angesichts enttäuschter Hoffnungen werde er zurückkehren ins alte Lager, den belehrt er schnell eines Besseren. "Das System ist schuld, der ganze Laden in Washington, da funktioniert doch nichts mehr", wettert er. Der Präsident, er tue doch, was er könne.

Seine Stahlzölle hätten in Monessen zwar keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, doch immerhin alte gesichert. So sieht es Mavrakis, außerdem gefällt ihm Trumps rigorose Härte gegenüber Migranten. "Mein Vater kam aus Griechenland, mit gültigen Papieren, und natürlich hat er gleich angefangen, Englisch zu lernen. Heute erwarten all diese Mexikaner, dass jeder hier Spanisch spricht."

Blauer Wall

Vor der Wahl 2016 galt Pennsylvania als blauer Wall, Blau nach der Parteifarbe der Demokraten, der dem Kandidaten der Republikaner den Weg nach Washington versperren würde wie eine unüberwindbare Mauer. Bekanntlich kam es anders. Weil Pennsylvania zu den Rust-Belt-Staaten gehörte, die Trump den Vorzug vor Hillary Clinton gaben, sitzt der Unternehmer heute im Oval Office. Umso mehr hoffen die Demokraten, dass am 6. November eine blaue Welle durch Pennsylvania rollt. Dass sie den Roten, den Republikanern, auch hier ein paar Sitze im Repräsentantenhaus abnehmen, sodass es in der Summe aller Bundesstaaten für eine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer reicht. Es steckt viel Symbolik in diesem Wahlkampf, schon wegen der Vorgeschichte, aber auch wegen der Protagonisten.

Um das eine der beiden Senatsmandate, das zur Wahl steht, bewerben sich zwei Kandidaten, zwischen denen politisch ein tiefer Graben liegt – bezeichnend für den Riss, der durch Amerika geht. Der Republikaner Lou Barletta war schon ein Donald Trump der Einwanderungspolitik, da widmete sich Trump noch ausschließlich seinen Geschäften. Als Bürgermeister von Hazleton, einer Stadt im Osten Pennsylvanias, verfügte er bereits 2006, dass Vermieter pro Tag tausend Dollar Strafe zahlen sollten für den Fall, dass sie illegal Eingewanderte in ihren Häusern wohnen ließen. Obwohl Richter das Papier für rechtswidrig erklärten, begründete es Barlettas Image als Hardliner – einen Ruf, von dem er sich nun den Sprung in den US-Senat erhofft. Sein Gegenspieler, der Amtsinhaber Bob Casey, zählte einmal zum rechten Flügel der Demokraten – gegen Abtreibungen und allenfalls für ein Minimum an Waffenkon trolle. Als Trump Bürgern mehrerer islamisch geprägter Staaten per Dekret die Einreise verbieten wollte, packte den Senator Casey der Zorn. An jenem Jännertag des Jahres 2017 verließ er kurzerhand einen Opernball, um, noch im Frack, zum Flughafen von Philadelphia zu fahren und gegen den Bann zu protestieren.

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Im Rust Belt von Pennsylvania, wo so wie hier in Clairton Stahl produziert wird, könnte sich bei den Kongresswahlen am Dienstag das Schicksal der USA entscheiden.
Foto: AFP/Getty/Angerer

Aufkleber für Autos der Trump-Fans

Somerset, eine Kleinstadt im Allegheny-Gebirge. Coal Country, wie sie hier sagen. In der Nähe hat ein Kohlenbergwerk seinen Betrieb aufgenommen, eine Premiere, wie sie es in Pennsylvania lange nicht gab. Im Keller einer Versicherungsagentur trifft sich die Ortsgruppe der Republikaner, um über den Wahlkampfendspurt zu reden, Journalisten sind ausdrücklich zugelassen. Aufkleber für Autostoßstangen liegen bereit, auf denen steht: "Donald Trump 2020". Und: "Keep America Great". Bruce Hottle hat nichts auszusetzen an der Arbeit des Präsidenten: "Er macht exakt das, was er versprach." Hottle ist Besitzer einer kleinen Fabrik, die Betonfertigteile für Autobahnen und Abwassersysteme herstellt. Alles, schwärmt er, sei unter Trump besser geworden, die Auftragslage, die Stimmung, die Bürokratie. Indem Trump Vorschriften lockere und Verordnungen streiche, bleibe ihm, Bruce Hottle, jede Menge Papierkram erspart, eine echte Erleichterung. "Sorgen wir dafür, dass unser republikanisches Amerika am Drücker bleibt", wirbt ein Lokalpolitiker namens Pat Stefano. "Von wegen blaue Welle. Sorgen wir für einen roten Tsunami", ruft jemand im Raum.

Soll am Dienstag eine blaue Welle über Pennsylvania hinwegrollen, dann müsste sie auch Media erfassen. Eine Siedlung im Speckgürtel um Philadelphia, Einfamilienhäuser, sehr große Garagen, idyllisch gelegen zwischen Pferdekoppeln und Obstgärten. In Media wohnt die obere Mittelschicht, normalerweise stehen Demokraten hier auf verlorenem Posten. Diesmal, hofft Mary Gay Scanlon, könnte sich das ändern. Weshalb sie, das blonde Haar unkompliziert zum Pferdeschwanz zusammengebunden, zwischen bunt gefärbten Laubbäumen von Haustür zu Haustür zieht. Immer wieder treffe sie auf Republikaner, die ihr anvertrauten, dass sie ihre Partei in der Sprache Donald Trumps nicht mehr wiedererkennen, erzählt Scanlon. "Ja, es wird wohl eine Abstimmung über Trump."

"Das ist nicht Amerika"

Mit seinen frauenfeindlichen Sprüchen, der Hetze gegen Migranten und der Verharmlosung sexueller Übergriffe hat der Präsident eine Rekordzahl von Frauen dazu gebracht, sich für ein Mandat im Repräsentantenhaus zu bewerben. 197 sind es bei den Demokraten, fast die Hälfte aller Kandidaten der Partei. Viele sind neu auf der politischen Bühne, so wie Mary Gay Scanlon, 60 Jahre alt, Rechtsanwältin, dreifache Mutter. Sie sei angetreten, weil sie das Gefühl hatte, alles, wofür sie gearbeitet habe, werde auf einmal infrage gestellt. "Wir haben eine Regierung, deren Führung nicht an den Rechtsstaat zu glauben scheint, nicht an Fairplay, nicht an Chancengleichheit. Das ist nicht Amerika."

Allein im Speckgürtel um Philadelphia sind es vier Kandidatinnen, die für die Demokraten ins Abgeordnetenhaus aufrücken wollen. Vier Praktikerinnen, wie Scanlon betont. "Wenn wir vier nach Washington schauen, dann fragen wir uns, warum so viel Ego im Spiel sein muss, so viel männliches Ego", sagt Scanlon noch, bevor sie weiterzieht. In ihrem Wahlkampfbüro prangt auf einer gelben Wandzeitung ein alarmierender Spruch. "Geht wählen, als hinge das Leben eurer Kinder davon ab!" (Frank Herrmann aus Pittsburgh, 5.11.2018)