Was für die einen eine Pause bedeutet, bedeutet für die anderen ein Einrücken in den Gerichtssaal bzw. ein Dableiben: Ab Dienstag steht im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien die Causa Telekom/Parteienfinanzierung an. Angeklagt sind die Exlobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger, der Ex-Festnetzchef der Telekom Austria (TA), Rudolf Fischer, ein weiterer Ex-TA-Manager und früherer ÖVP-Funktionär sowie zwei ehemalige TA-Mitarbeiter.

DER STANDARD

Weil Hochegger und Meischberger auch in der Causa Buwog angeklagt sind, ist Buwog-Richterin Marion Hohenecker zuständig. Sie hat die TA-Causa eingeschoben, die übrigen Buwog-Angeklagten haben (aus jetziger Sicht) bis Ende Jänner frei.

In der Telekom-Causa erhebt die Staatsanwaltschaft Wien den Vorwurf, die TA-Manager hätten 2004 bis 2008 rund neun Millionen Euro an ÖVP, FPÖ und SPÖ bzw. diesen nahestehende Personen und Unternehmen gezahlt. Geflossen sei das Geld über Meischberger und Hochegger bzw. die Beratungsgesellschaft Valora.

Die habe das Geld für 16 Schein- bzw. überzahlte Aufträge kassiert und aus den so gebildeten "schwarzen Kassen" – intern auch "Hochegger-Topf" genannt – weitergeleitet. "Eine Vielzahl von Zahlungen erfolgte, um Personen des politischen Spektrums oder politische Parteien wohlgesonnen zu stimmen", heißt es in der Anklageschrift. Geldwerte Gegenleistung habe es nicht gegeben. Laut Involvierten schuf man so nützliche "Abhängigkeiten".

Politiker aus dem Schneider

Die Anklage, die sich wie ein Handbuch für mehr oder weniger geschickte Parteienfinanzierung liest, listet 44 "Fakten" auf, die nachzeichnen, wo das Geld gelandet ist. Etwa bei Hubert Gorbach (der BZÖ-Exvizekanzler hat eine Diversion angenommen), ÖAAB oder bei der SPÖ-nahen Werbeagentur Echo. Es geht u. a. um den Vorwurf der Untreue, Geschenkannahme, Geldwäscherei. Politiker sind nicht angeklagt, die Justiz erklärt das mit der damals gültigen Rechtslage. So etwas wie "Anfüttern" war in den 2000er-Jahren nicht strafbar. Die ÖVP hat das Geld zurückgezahlt.

Peter Hochegger hat ein neues Verfahren am Hals.

Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe bisher, und es gilt die Unschuldsvermutung. Sie argumentieren, die TA habe sehr wohl Vorteile aus den Zahlungen gehabt, sich etwa Wohlwollen erkauft. Meischberger erklärt, er habe werthaltige Leistungen erbracht, der Vorwurf der Geldwäsche (825.000 Euro) stimme nicht. 2000, als die ÖVP-FPÖ-Regierung angetreten war, habe die TA die "übliche politische Kontaktpflege" in Richtung FPÖ erweitern müssen. Dazu habe sie via "Kommunikationspool Valora" seine Expertise beansprucht. Er habe der TA sein "Human- und Sozialkapital" überlassen, um ein Pauschale von monatlich 10.000 Euro netto.

Auf wen zu Prozessbeginn alle Augen gerichtet sein werden? Auf Hochegger. Er legte zur Buwog ein Teilgeständnis ab, fühlt sich nach abgesessener Haftstrafe "geläutert". Man kann damit rechnen, dass sich der in Brasilien lebende Exlobbyist auch in einzelnen Fällen der Causa Parteienfinanzierung schuldig bekennen wird.

Ein Überblick über die zentralen Aspekte des Verfahrens

Kronzeuge Schieszler belastet die Angeklagten

Gernot Schieszler, bis Juni 2009 Finanzchef der Telekom-Festnetztochter, wurde 2015 noch einmal in der Causa Valora einvernommen. Peter Hochegger habe neben realen auch solche Projekte betreut, "die zum Schein aufgesetzt wurden". Über Scheinaufträge und Überzahlungen an die Valora seien "Töpfe" für Leistungen gefüllt worden, die nicht direkt über die TA abgewickelt werden sollten. Einen (kranken) TA-Manager, der Scheinaufträge unterschrieben hatte, zitierte er so: "Wir werden alle dafür ins Gefängnis gehen." Angeklagter Michael F., der aus der ÖVP in die TA kam, habe es schwer gehabt. Hätte er Begehrlichkeiten der Parteifreunde abgewehrt, "wäre er als Manager nicht wiederbestellt worden".

Exvizekanzler Gorbach kassierte und kam davon

Der einstige Vizekanzler, Verkehrsminister und spätere Berater entging dem Prozess wie auch seine Sekretärin per Diversion. Er hat sich laut Staatsanwalt nach der Politik 2007 von Hochegger ein Honorar von 33.600 Euro je Quartal gesichert, das Geld sei von der TA gekommen. Leistungen? Keine. Gorbach sagte aus, die TA habe nach seinem Politikausstieg sein Know-how nutzen wollen. Er habe aber keine Zeit gehabt und auf seine Assistentin verwiesen. Mit ihr habe die TA eine Vereinbarung getroffen, bezahlt hat die Valora. Warum, das wusste die Sekretärin nicht, sie habe sich auf Gorbach verlassen, dem sie auch Teile des Honorars überwiesen habe. Gorbach zahlte der TA 100.000 und dem Bund 1680 Euro.

Telekom finanzierte ÖVP-Werbung

Im Jahr 2006 zahlte eine Hochegger-Firma in drei Tranchen 130.800 Euro an die Werbefirma Mediaselect. Laut Rechnung hat die dafür u. a. ein Medienkonzept zum Thema Breitband erstellt bzw. Lobbying-Aktivitäten für die TA erbracht. Das Geld landete bei der ÖVP-Bundesparteileitung, als Grund für die Gutschrift vermerkte die Werbeagentur etwa "Reklamationen von Taxiwerbung und Brückentransparenten". Dieses "Faktum 12" kann interessant werden, weil Hochegger eingestanden hat, er habe den Rechnungstext selbst erstellt und vom ÖVP-Konnex gewusst. Und: Gegenleistungen für die TA hat er gar nicht behauptet. Die ÖVP gab das Geld für Werbeeinschaltungen aus, sie zahlt die TA-Spende zurück.

Gute Investition in roten Telekomsprecher Gartlehner

Der damalige Telekom-Sprecher und Abgeordnete der SPÖ, Kurt Gartlehner, kassierte von 2007 bis 2009 rund 96.000 Euro. Hochegger ging von einer "konstruktiven Zusammenarbeitsmöglichkeit mit der TA" aus und nahm ihn für 3000 Euro netto im Monat unter Vertrag. Der Mandatar und Berater sagte aus, er habe dafür Leistungen im Energiebereich erbracht, Hochegger sah dies anders. Der TA war daran gelegen, dass Telekom-Regulator Georg Serentschy im Amt bleibe, dass es so kam, habe seiner "Erfindung Gartlehner" eine Prämie von 30.000 Euro gebracht. Intern meinte Hochegger, Gartlehner sei die beste Investition gewesen: Es sei fein, wenn man einen freien Mitarbeiter im Parlament sitzen habe.

Wahlkampfhilfe für schwarze Telekom-Sprecherin Hakl

Es war im Nationalratswahlkampf 2008, als die ÖVP-Abgeordnete Karin Hakl laut Anklage den Chef der Werbeagentur Headquarter gebeten hat, dass er sich um ihren Persönlichkeitswahlkampf kümmere. Bezüglich Bezahlung der 20.000 Euro möge er sich an die Valora wenden – die auch zahlte. Wie die Tirolerin darauf kam? Zuvor schon hatte die Frau – notabene Telekom-Sprecherin der ÖVP – mit der TA gesprochen, die sie bezüglich einer Unterstützung für sie und die ÖVP Tirol an Hochegger verwiesen habe. Auch mit ihm hat sie das Vorgehen laut Anklage besprochen. Das Verfahren gegen die Mandatarin (Verdacht der versuchten Bestimmung zur Untreue und Beihilfe zur Geldwäscherei) wurde 2014 eingestellt.

SPÖ-Hilfe wurde bei Teppichhändler ausgeschnapst

Auch die SPÖ wurde von der TA bedacht. 2006 bat ein Wiener Teppichhändler laut Anklage Hochegger um Unterstützung des SPÖ-Wahlkampfs, der Lobbyist habe daraufhin seinen Freunden bei der TA "mitgeteilt", er werde 24.000 Euro springen lassen (aus dem "Topf"). Das werde die Position der TA bei der SPÖ stärken. Bei einem Event des Teppichhändlers habe TA-Manager Schieszler SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer die Spende "bestätigt", abgerechnet wurde via SPÖ-naher Agentur Echo. Hintergrund: Hochegger war der Meinung, die TA behandle die SPÖ spendenmäßig stiefmütterlich. Die Investition, die mit 20.000 Euro rein symbolisch gewesen sei, habe sich durchaus ausgezahlt, soll er intern erklärt haben. (Renate Graber, 6.11.2018)