Von so manchem Ding in ihrem Geschäft im neunten Bezirk trennt sich Katharina Marchgraber nur sehr schwer.

Foto: Nathan Murrell

"Ich bin mit Antiquitäten aufgewachsen, schon meine Eltern waren leidenschaftliche Sammler alter Stücke. Anfangs habe ich das abgelehnt, weil die beiden nicht einmal vor meinem Kinderzimmer haltmachten. Es sah aus wie eine Ecke im Hofmobiliendepot.

Das Umdenken setzte ein, als mir im Kunstunterricht auffiel, dass ich vieles von dem, was uns der Lehrer erzählte, bereits zu Hause mitbekommen hatte. Mit 16 habe ich dann ein Praktikum bei Lichterloh absolviert. Das war das einzige Geschäft, das sich damals in Wien mit Vintage beschäftigte. Es folgten ein Kunstgeschichtestudium und ein Jahr des Lernens bei Christie's in Paris.

Vor sechs Jahren sperrte ich dann mein Geschäft Catrinette in der Wiener Porzellangasse auf, in dem man alte Wohnzeitschriften und Nippes ebenso findet wie besondere Möbel und Leuchten. Die haben es mir übrigens ganz besonders angetan.

In unserer Branche boomen vor allem die Mid-Century-Stücke, also Dinge aus den 50er- und 60er-Jahren. Ich habe keine Ahnung, wie viele Objekte sich im Geschäft und bei mir zu Hause angesammelt haben. Nicht einmal annähernd kann ich die Zahl schätzen. Das mag mit meinem Trennungsverhalten zu tun haben. Der Satz "Ein guter Händler verkauft alles, wenn der Preis stimmt" trifft auf mich nicht zu.

"Meine Leidenschaft sind originelle Dinge, nicht irgendwelche Namen."
Foto: Nathan Murrell

Bekannte Klassiker wie den beliebten Eames-Lounge-Chair oder den Panton-Stuhl wird man bei mir nicht finden. Ich halte nichts vom Kauf einer Ikone, um sich damit geschmacks- und prestigetechnisch auf die sichere Seite zu begeben. Es verhält sich im Design oft wie mit der Kunst. Kennt man den Namen, ist die Kunst gut, so das weitverbreitete Denken, das nicht selten mit Geschmacksunsicherheiten zu tun hat. Das interessiert mich nicht. Meine Leidenschaft sind originelle Dinge, nicht irgendwelche Namen. Das bedeutet für mich als Händlerin eine größere Herausforderung.

Berührende Momente

Außerdem geht es mir mehr um die Seele von Dingen, an die ich wirklich glaube, ohne jetzt "geisterbeschwörerisch" rüberkommen zu wollen. Nehmen Sie als Beispiel eine alte Schreibtischleuchte aus meinem Geschäft. Ist es nicht so, dass man sich überlegt, auf welchem Tisch sie einst gestanden hat, wer sie ein- und ausgeknipst hat, was er oder sie in ihrem Schein geschrieben, gelesen oder gedacht hat?

Meine Waren stammen zu einem guten Teil aus privaten Nachlässen. Natürlich ergeben sich aus diesem Umstand immer wieder emotionale Momente. Ich habe zwei Damen einige Dinge abgekauft, die von einer großen Wohnung in ein Haus für betreutes Wohnen übersiedelten. Stundenlang habe ich mir ihre Geschichten von den Objekten angehört.

Solche Momente sind berührend, und oft behalte ich mir gerade jene Dinge, die ich im Rahmen solcher Anlässen kaufe. Menschen, die sich unter solchen Umständen von Dingen trennen müssen sind oft froh, dass vom Moment des Abschieds an jemand anderes ein Auge auf die Gegenstände hat und sie wertschätzt. Einiges beziehe ich auch von Flohmärkten aus der ganzen Welt. Dabei kommt es immer wieder zu aufregenden Streifzügen auf denen ich zu einer Art "Jägerin des verlorenen Schatzes" werde.

"In unserer Branche boomen vor allem die Mid-Century-Stücke, also Dinge aus den 50er- und 60er-Jahren."
Foto: Nathan Murrell

Natürlich gibt es auch interessantes und gutes zeitgenössisches Design. Ich denke, der Grund, warum manche Menschen trotzdem lieber zu mir kommen, liegt neben den Geschichten, die ich mitverkaufe, auch in der Preisgestaltung.

Bei mir fängt es bei zehn Euro an und es gibt nur wenige Objekte, die über 1.000 Euro kosten. Die meisten meiner Kunden lukriere ich übrigens über Facebook oder Instagram, wo ich die Stimmung des Geschäftes gut präsentieren kann. Es geht mir mehr um den Kontext, also das Umfeld, als um das einzelne Objekt.

Der Grund für den anhaltenden Boom von Vintagedingen verorte ich in der Abkehr von der Massenproduktion und in einer Zuwendung zu einem individuelleren Stil im Wohnbereich. Es geht um Charme, Charakter und Ausstrahlung.

Lassen Sie es mich mit einem alten Wein vergleichen, aus diesem Bereich stammt ja auch der Ausdruck Vintage. Oder mit einem gut gealterten Gesicht, dessen Falten etwas vom Leben erzählen. Auch eine Einrichtung muss sich entwickeln. Menschen, die oberflächliche und fertig gestylte Wohnungen mögen, werden mein Geschäft eher nicht betreten. Eher jene, die auf der Suche nach Geschichten sind und diese weitererzählen wollen." (Michael Hausenblas, RONDO, 9.11.2018)

Den anhaltenden Boom von Vintagedingen verortet Katharina Marchgraber in der Abkehr von Massenproduktion und in der Zuwendung zu einem individuelleren Lebensstil.
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