Ein Rotlachs kämpft sich den Hansen Creek entlang.
Foto: Dennis Wise/University of Washington

Seattle – Der Hansen Creek ist ein Bach im Südwesten Alaskas, den man mit fünf Schritten überqueren kann, ohne sich sonderlich nass zu machen. Dennoch quetschen sich jeden Sommer an die 11.000 Rotlachse auf dem Weg zu ihren Laichplätzen durch diese Engstelle – was an manchen Stellen bedeutet, dass sie schlicht über feuchte Steine rutschen, bis das Wasser wieder ein paar Zentimeter tiefer wird.

Für Bären ist das buchstäblich ein gefundenes Fressen: Sie platzieren sich am Hansen Creek und können die Fische bequem abschöpfen. Und das wiederum hat Forscher angelockt, die Jahr für Jahr messen, wie sich der bärige Fischfang auf die Lachspopulation auswirkt. Sterben müssen die Lachse übrigens alle – manche verausgaben sich bereits auf dem Weg zu den Laichplätzen oder werden von den Bären gefangen. Der Rest haucht sein Leben nach dem Ablaichen aus.

Praxis mit Auswirkungen

Seit 20 Jahren schreiten Forscher der University of Washington während der Laichsaison jeden Tag den Bach ab und zählen die Lachse, ob lebend oder tot. Dabei hat sich die Praxis eingebürgert, die toten Exemplare immer ans selbe Ufer – flussabwärts betrachtet das linke – zu werfen, damit es nicht zu Doppelzählungen kommt.

Irgendwann kam Tom Quinn, einem der beteiligten Forscher, schließlich die Idee, dass sich diese Ungleichverteilung auf die Umgebung auswirken könnte. In einer Untersuchung, die nun im Fachblatt "Ecology" veröffentlicht wurde, prüfte er dies nach und fand seinen Verdacht bestätigt. Mit seinem Team verglich er die Wachstumsringe von Bäumen auf beiden Bachufern, und zwar sowohl aus den 20 Jahren der Lachszählung als auch aus den 20 Jahren davor.

Und immer schön ans linke Ufer schmeißen!
Foto: Dan DiNicola/University of Washington

Es zeigte sich, dass der Fichtenwald seit Beginn der Lachszählung und -entsorgung 1997 am linken Ufer deutlich schneller gewachsen war, offensichtlich von den geschätzt 270.000 Kilogramm Fisch gedüngt, die dort über 20 Jahre hinweg abgelagert worden waren. Zudem wiesen die Nadeln der Fichten am linken Ufer höhere Stickstoffkonzentrationen auf, womit belegt war, dass die ungeplante Fischdüngung der entscheidende Wachstumsfaktor war.

Faktoren im System

Für Quinn ist die Anekdote ein schöner Beleg dafür, wie viele Faktoren man berücksichtigen muss, um das Gedeihen eines Ökosystems zu verstehen. Zugleich hätte sie einmal mehr gezeigt, welch große Rolle die Lachse für die Ökosysteme spielen, durch die sie wandern. Aktuell gelten Rotlachse in manchen nordamerikanischen Regionen als gefährdet, während sie in anderen dank Schutzmaßnahmen ein Comeback feiern. (jdo, 9. 11. 2018)