Lawrence – Nicht nur während der Wiedererwärmung nach der letzten Kaltzeit breitete sich ein gigantischer Wald über ganz Europa und bis weit nach Osten hin aus. Auch vor knapp zwölf Millionen Jahren, im Miozän, zog sich ein einziger Wald von Spanien bis nach China, berichtet der Paläontologe Oscar Sanisidro von der University of Kansas.
Es war einmal
Das war allerdings kein typischer Mischwald der kühlgemäßigten Zone, sondern aufgrund der damaligen Temperaturen ein subtropischer Dschungel, bevölkert unter anderem von Elefanten-Vorläufern und jeder Menge Primaten. Ganz anders als jetzt waren Menschenartige (Hominoidea) wie die heutigen Menschenaffen damals besonders zahlreich und übertrafen womöglich sogar ihre geschwänzten Verwandten, was die Artenvielfalt betrifft.
Auch aus Katalonien kennt man bereits eine ganze Reihe von Hominoidea-Fossilien. Als 2002 in der Nähe von deren Fundstätten ein weiteres Skelett ans Licht kam, ordnete man es daher zunächst ebenfalls einem Primaten zu. Nun berichtet Sanisidro, dass es sich in Wahrheit um ein Nagetier handelte.
Seltener Glücksfall
Und die Spezies, die nun im Fachmagazin "eLife" vorgestellt wurde und die Bezeichnung Miopetaurista neogrivensis erhielt, war auch nicht irgendein Hörnchen, sondern ein Gleit- oder Flughörnchen, wie es sie heute noch gibt. Das verräterische Detail war ein speziell geformter Handwurzelknochen, wie ihn nur Gleithörnchen haben: Hier ist bei ihnen die fallschirmartige Flughaut verankert, die es ihnen ermöglicht, mit abgespreizten Gliedmaßen von Baum zu Baum zu segeln. Heutige Riesengleithörnchen können auf diese Weise einige hundert Meter zurücklegen.
Sanisidro spricht von einem Glücksfall, dass von Miopetaurista Knochen vorliegen. Bei Fossilien von Kleinsäugetieren habe man es in 99 Prozent der Fälle nur mit Zähnen zu tun, was die Einordnung erschwert. Das Fossil aus Katalonien sei nicht nur das älteste bekannte Riesengleithörnchen, seine Analyse mittels "molekularer Uhr" würde zudem zeigen, dass sich diese spezielle Tiergruppe schon vor 25 bis 31 Millionen Jahren von dem uns vertrauteren Teil der Hörnchen abgetrennt hat, der auf den Bäumen hocken blieb.
Mit der Nische weitergewandert
Ein interessantes Ergebnis war auch, dass sich Miopetaurista trotz 11 Millionen Jahren Abstand morphologisch so gut wie gar nicht von heutigen Riesengleithörnchen unterschied. Sanisidro wertet das als Indiz dafür, dass diese Tiere sich derart perfekt in ihre Nische eingefügt haben, dass kein Bedarf für Veränderungen bestand. Nur ihr Lebensraum hat sich verlagert: Die Riesengleithörnchen der Gegenwart leben allesamt in tropischen und subtropischen Regionen Asiens, wo heute ähnliche Bedingungen herrschen wie im Miozän in Europa. (jdo, 11. 11. 2018)