Der Umsetzung von Legal Tech in der Praxis steht noch eine Reihe von Hürden im Weg.

Illustration: Fatih Aydogdu

Valerie Kramer und Armin Hendrich: Der Mensch wird nicht ersetzt, sondern nur die monotone Arbeit.

Foto: DLA Piper
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Legal Tech ist populär wie kaum ein anderes Thema in der Rechtsbranche: Mandanten und Kollegen bekunden zwar im Gespräch gleichermaßen großes Interesse. Spricht man jedoch die Umsetzung an, kommt der brummende Innovationsmotor schnell ins Stottern. Der Umsetzung von Legal Tech in der Praxis steht noch eine Reihe von Hürden im Weg.

Diese sind nicht etwa die Verfügbarkeit oder die Kosten und die Reife der Produkte – die Hürden sind überwiegend psychologischer Natur. Anwälte und Inhouse-Juristen sind dabei gleichermaßen betroffen, denn es geht um das Wesen der Rechtsbranche.

Der Beruf des Anwalts ist traditionslastig. Dementsprechend skeptisch sind Juristen gegenüber Innovation generell und gegenüber Legal Tech im Speziellen. Dazu kommen oft frustrierende Erfahrungen mit Technologie. Wer hat nicht schon den Tränen nahe versucht, Stunden an Arbeit doch noch aus dem digitalen Nirwana zu retten?

Dass das Problem meist nicht im Programm begründet ist, sondern in der Anwendung liegt, macht die Sache nicht besser. Viele Juristen kommen zum Schluss: Wenn schon die bestehenden Programme so schwierig zu handhaben sind, dann soll die Lage nicht durch neue Technologie verschärft werden.

Vorurteile und Missverständnisse

Die Themen sind beim Inhouse-Juristen in Unternehmen ähnlich, doch ist dort der Kostenfaktor noch präsenter. Die Implementierung neuer Technologie wird dann nicht von Juristen, sondern vom Management oder Technologie-Abteilungen im Unternehmen mit dem Ziel getrieben, Prozesse (kosten-)effizienter zu gestalten.

Hinter diesen psychologischen Hürden warten auch gleich die Vorurteile, etwa das Argument der hohen Kosten. Richtig eingesetzt ist allerdings das Gegenteil der Fall, denn Legal Tech dient dazu, Prozesse schneller, einfacher und kosteneffizienter zu gestalten.

Auch gibt es Missverständnisse hinsichtlich der Fähigkeit von Legal-Tech-Tools selbst: Der Mensch wird nicht ersetzt, sondern in den Bereichen monotoner, sStandardisierter Aufgaben entlastet – Stichwort Due Diligence oder Document-Review. Der Jurist kann sich somit (wieder) auf seine Kernbereiche konzentrieren.

Die Interaktion mit Legal Tech setzt dabei auch eine höhere Kompetenz beim Anwalt voraus. Es wird daher eine Auswirkung auf Berufseinsteiger haben, die meist diese Routinearbeit erbringen. Die Ausbildung(szeit) vom Junior zum Senior Associate muss sich somit anpassen, woraus sich wiederum die Bedenken der Anwälte in Bezug auf die Profitabilität von Legal Tech ableiten.

Hierzu gibt es jedoch zwei klare Antworten: Legal Tech ist sinnvoll eingesetzt immer profitabler; dennoch ist es sinnvoll, über eine Anpassung der Kostenstrukturen nachzudenken – etwa eine Umstellung vom Stundensatz auf leistungsbezogene Verrechnung (Value-Billing).

Sind all diese mentalen Hürden einmal überwunden, begegnet man den praktischen. Es bedarf eines Verständnisses, wo Legal Tech sinnvoll eingesetzt werden kann. So will die künstliche Intelligenz (AI) in modernen Due-Diligence-Produkten angelernt werden, getrennt für jede Sprache. Weiter basiert die "Fortbildung" der AI auf Dokumenten, wie Verträgen, die ein Kunde oder Dritter als geistiges Eigentum betrachten könnte. Mit einer starken Verlagerung aller Daten in die Cloud gewinnt auch der Schutz der Daten an Bedeutung, weniger in technischer als in rechtlicher Sicht. Diesen Themen muss Rechnung getragen werden.

Falsche Annahmen

Diese Überlegungen sind zwar bei Review-Produkten – Stichwort: Discovery – weniger dominant, dafür herrscht aufgrund eines Wissensdefizits die falsche Annahme, dass solche Produkte lediglich in komplexen Verfahren oder Untersuchungen eingesetzt werden sollten oder können.

Ziel von Kanzleien, die den unaufhaltsamen Zug der Technologisierung nicht versäumen wollen, ist somit die gezielte Information über die Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten der entsprechenden Technologie und Training im Umgang damit, denn das "Lernen am lebenden Projekt" ist – wohl zu Recht – vielen zu riskant. (Valerie Kramer, Armin Hendrich, 7.11.2018)