Thomas Feichtner: "Nachhaltigkeit ist ohne Zweifel ein Kernthema des Transportation Design."

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Designstudie eines Studenten der FH Joanneum: Thomas Feichtner sieht Mobility Design als breiten Begriff, der über das klassische Transportation Design hinausgeht.

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STANDARD: Was verbirgt sich hinter dem Begriff "Transportation Design"?

Thomas Feichtner: Transportation Design definiere ich als die Gestaltung von Mobilität. Das geht heute weit über "vier Räder und ein Lenkrad" hinaus. Beispiele für gelungenes Transportation Design sind Mobilitätskonzepte, die für die Zukunft relevant sein müssen – Relevanz ist das Schlüsselwort. Misslungene Transportation Designs sind dagegen irrelevante Zugänge ohne Esprit und Zukunft. Design ist die Liebe zu den Dingen. Design kann überraschend, raffiniert und geistreich sein – auch im Transportation Design.

STANDARD: Was unterscheidet Transportation Design von klassischem Design?

Feichtner: Zukünftig weniger als erwartet. Schon jetzt sitzen in den Designabteilungen der Automobilkonzerne auch klassische Produktdesignerinnen und -designer. Denn die Produkterfahrungen werden in Zukunft viel mehr im Interieur und Interface eines Fahrzeugs zu finden sein. Wird autonomes Fahren Realität, wird die Gestaltung von mobilen Räumen ein zentrales Thema – die eigentliche Aufgabe von klassischen Designerinnen und Designern.

STANDARD: Was muss denn gutes Transportation Design können?

Feichtner: Gerade die Komplexität sozialer und ökonomischer Veränderungen zwingt Transportation Designerinnen und Designer dazu, neu zu denken und nicht nur als alleinige Gestalter zu agieren. Künftige Generationen von Designerinnen und Designer werden nicht nur an ihrer kulturellen, sozialen und ökologischen Relevanz gemessen, sondern auch wie weit sie in komplexen Zusammenhängen denken, kritisch reflektieren und interagieren können. Transportation Design befindet sich in einem starken Umbruch. Die Mobilitätskonzepte der Zukunft haben gesellschafts- und umweltspezifische Relevanz, die weit über das Auto als Gegenstand hinausgehen.

STANDARD: Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Feichtner: Neue computerunterstützte Technologien zum Beispiel aus dem Bereich der Drohnen, neue Konzepte für den öffentlichen Verkehr, alternative Langstreckenbeförderung, neue Mobilität in der Medizintechnik, autonome Rettungs- und Bergungsfahrzeuge, neue Lastenfahrräder für verschiedene Berufszweige, individualisierter Gütertransport, Transportsysteme für Kommunalversorgung, Robotik und Logistik, virtuelle Mobilität, Interface- und Interaction-Design-Systeme. Und natürlich gibt es das Thema der autonomen Mobilität sowie zahlreiche Gebrauchsgegenstände, die Mobilität und Transportation erst möglich machen.

STANDARD: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Feichtner: Transportation Design befindet sich in einem permanenten Wandel. Dazu gehört nicht nur die Diskussion um den Dieselskandal oder das autonome Fahren, sondern ein genereller Wandel in unserer Gesellschaft. Die Digitalisierung von Produktionsprozessen, das hohe Tempo der digitalen Zukunft und die Globalisierung von Information und Ästhetik, die Verlagerung von Produktion in Billiglohnländer – das sind nur einige wenige der relevanten Themen.

STANDARD: Da gibt es ja noch harte Nüsse zu knacken. Wo ist man schon auf einem guten Weg?

Feichtner: Nicht zu übersehen sind positive Veränderungen der Open-Source-Generation: Ihr neues Werteverständnis, in dem es mehr um das Teilen als um das Besitzen geht, oder die Emanzipation von der Massenproduktion weg hin zum individualisierten Gegenstand. Beides ist Teil eines Wandels zu einer komplexen Informationsgesellschaft.

STANDARD: Was möchten Sie am Joanneum vermitteln?

Feichtner: Der Studiengang ist ein Designstudium mit allen Aspekten der Produktgestaltung. Wir entwerfen Gegenstände, nicht nur zum Thema Mobilität, sondern für alle Bereiche der Zukunft. Der Schwerpunkt Mobility Design ist mir ein besonderes Anliegen. Das ist eine Kompetenz, die aus der Geschichte der Hochschule heraus über die vergangenen zwei Jahrzehnte aufgebaut wurde und die ich fortführen möchte. In unserem Masterstudiengang haben wir neben Eco-Innovative Design, ganz bewusst, die Spezialisierung auf Mobility Design als breiten Begriff, der über den klassischen Zugang von Transportation Design hinausgeht.

STANDARD: Was sind für Sie die wichtigsten Fragen in Forschung und Lehre?

Feichtner: Das Thema Nachhaltigkeit ist ohne Zweifel ein Kernthema des Transportation Design – nicht nur, wie wir nachhaltig mit Ressourcen umgehen, sondern auch, dass wir uns im Studium diesen Themen widmen und neue Aufgaben finden. Um nicht an der Oberfläche der Nachhaltigkeitsfrage hängenzubleiben, braucht es seriöse Forschung, Recherchetätigkeit und Kooperationen mit Wissenschaft und Technik.

STANDARD: Ihr Ansatz geht somit weit über traditionelles Industriedesign hinaus?

Feichtner: Der Studiengang sollte sich nicht nur auf das Produkt beziehen, sondern eine Weltanschauung vermitteln – eine Art Lebenseinstellung, wie man als Designerin und Designer agiert. Design ist imstande, eine individuelle und kulturelle Identität zu schaffen, zu verbinden, zu berühren und Verhaltensweisen zu hinterfragen. Interdisziplinäres Denken und Handeln bedeutet, Denk- und Handlungsweisen anderer Disziplinen zuzulassen und kennenzulernen. Dazu gehört es auch, Prozesse zu kombinieren und zu samplen, Objekte zu kontextualisieren und experimentell mit Kontrasten und Synergien zu spielen. Speziell im Mobility Design gilt es, Prozesse und Gegenstände zu hinterfragen und Fragen zu stellen wie "Warum ist das so?" oder "Warum kann man das nicht anders machen?" Design ist die Suche nach Alternativen. (Johannes Lau, 7.11.2018)