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Leichter Laute lernen per Laptop: Quitschquatsch vom Planeten Schupiter und Sisi Sandviper sind Protagonisten der App für Kinder.

Foto: Getty Images / FatCamera

Frühkindliche Schwierigkeiten beim Bilden oder Verstehen von Lauten können später zu Schwächen bei der Lese- und Rechtschreibkompetenz führen. Aktuellen Untersuchungen zufolge leiden rund zehn bis 15 Prozent aller Kinder vor Schuleintritt an Ausspracheproblemen. Das verbreitete, aber grundsätzlich harmlose "Lispeln" ist darin noch gar nicht eingerechnet. Schwerwiegender ist das Ersetzen eines Lautes durch einen anderen ("Holler" statt "Roller") oder wenn bestimmte Laute überhaupt weggelassen werden ("Necke" statt "Schnecke").

Eine App für Tablets, die in dem von der FFG geförderten Forschungsprojekt "Fit4Speech" entwickelt wurde, soll Kinder mit einer bestimmten Form von Ausspracheproblemen dabei unterstützen, diese auf spielerische Weise zu überwinden. Zielgruppe sind Kinder, die zwar grundsätzlich den Unterschied zwischen "s" und "sch" erkennen und auch artikulieren können, diesen Unterschied aber nicht systematisch anwenden, weil sie seine Funktion als Träger von sprachlicher Bedeutung noch nicht gelernt haben. Sie sagen dann beispielsweise "Sule" statt "Schule". Das mag im Kontext noch verständlich sein. Wer aber "Bus" statt "Busch" sagt, kommuniziert unfreiwillig etwas anderes, als er eigentlich wollte.

Das logopädische Konzept für die App wurde an der FH Gesundheitsberufe OÖ in Linz entwickelt. Es folgt der Grundidee, dass Kinder, die unter dem beschriebenen Problem leiden, im ersten Schritt ihre eigenen Sprechwerkzeuge kennenlernen müssen. Sie müssen begreifen, wie es sich anfühlt, mit Zunge, Gaumen oder Lippen bestimmte Laute zu produzieren. Im zweiten Schritt geht es dann um das bewusste Hören von Lautunterschieden. Beide Schritte werden durch verschiedene Visualisierungen unterstützt.

Mundbewegungen zeigen

So veranschaulicht ein gezeichneter Mund die korrekte Lippenhaltung, während die Kinder den Laut hören – vorgestülpt beim "sch", zurückgezogen beim "s". Auch eine schematische Darstellung der beim Artikulieren eines Lautes verwendeten Sprachwerkzeuge unterstützt die vier- bis siebenjährigen Kinder beim Lernen.

Dieser "multisensorische" Ansatz unterscheidet sich vom rein motorischen Lehrparadigma, das nach dem Grundsatz funktioniert: Einen Laut lernt man am besten, indem man ihn möglichst oft ausspricht. "Das ist zu wenig", widerspricht die Logopädin Elisabeth Haider, die an der FH forscht und unterrichtet. "Wir nehmen das Fühlen, Hören und Sehen dazu. Sobald ein Kind einen Laut erfühlt und ihn hörend erkannt hat, wird es ihn auch produzieren."

Sämtliche Lerneinheiten sind in eine kindgerechte Rahmengeschichte eingebettet: Quitschquatsch, ein haariger kleiner Außerirdischer vom Planeten Schupiter, kommt auf die Erde, um hier etwas über den sch-Laut zu erfahren. Leider ist bei der Landung seine Rakete kaputtgegangen. Indem das Kind die Übungen durcharbeitet, baut es schrittweise eine neue Rakete für Quitschquatsch. Der Einsatz von Leitfiguren ist dabei eine häufig genutzte Methode.

So gibt es unter anderem die Lokomotive Schorschi Schnaufel oder die Schlange Sissi Sandviper, die den sch-Laut bzw. den s-Laut repräsentieren. Weitere Techniken sind das überbetonte und das häufige Artikulieren der Laute. "Je häufiger man einen Laut anbietet, desto leichter fällt es dem Kind, ihn im Sprachstrom zu erkennen und nachzubilden", sagt Haider. Die Übungen erfordern lediglich einfache Bewegungen wie Drücken oder Wischen auf dem Tablet. Sie sind gemäß logopädischen Prinzipien aufgebaut: Zuerst wird der isolierte Laut präsentiert, später innerhalb von Silben, in Worten und zuletzt in ganzen Sätzen.

Übung mit und ohne Eltern

Die Übungen für die Kinder sind jedoch nur eine Säule der App. Die zweite ist die Einbindung der Eltern. Anhand von Videos wird ihnen gezeigt, wie sie im alltäglichen Dialog mit ihrem Kind dessen Aussprache fördern können. Etwa indem sie in ausgewählten Alltagssituationen wie Abendessen oder Baden den sch-Laut bewusst verwenden und ihn sprechend besonders stark akzentuieren. Weiters gibt es Vorschläge, wie man Kindern mit Ausspracheproblemen am besten vorliest.

Die App wird kommende Woche bei der Interpädagogika in Graz vorgestellt, einer Bildungsmesse, die unter anderem vom Wissenschaftsministerium unterstützt wird. Sie kann ohne logopädisches Vorwissen genutzt werden, beinhaltet aber klare Informationen, wann es ratsam ist, einen Experten aufzusuchen.

Etwa dann, wenn ein Kind mit etwa fünf Jahren noch nicht fehlerfrei sprechen kann. Am Projekt ist auch eine externe Logopädin als Partnerin beteiligt. Diese setzt einen Prototyp der App in ihrer Praxis ein und liefert laufend Feedback zur Optimierung. Für die Programmierung und spielerische Umsetzung der App zeichnet der Projektpartner Lifetool verantwortlich.

Die gezeichneten Figuren kommen vom Trauner-Verlag. Die Entscheidung für eine App als Lernmedium ist übrigens keineswegs dem Zeitgeist geschuldet. "Mir war es wichtig, die logopädischen Konzepte auch für Menschen aus sozial schwächeren Schichten zugänglich zu machen", so Haider. "Für sie ist eine App oft eine niedrigere Schwelle als ein Lehrbuch." (Raimund Lang, 12.11.2018)