Auf dem Gipfel seines Ruhmes steht er auf einem purpurnen Podest, das ihn wie eine Puppe aussehen lässt. Inmitten eines prächtigen Saals erzählt der "Hofmohr" Angelo von seiner afrikanischen Herkunft. Die gut eingeübte Erzählung von einem Land voller fantastischer Tiere, mutiger Krieger und brennender Berggipfel verfehlt ihre Wirkung nicht. Auch im intimen Salon nicht, wo gepuderte Gesichter wohligen Schauder erkennen lassen. Das Vergnügen am Fremden stellt sich aus sicherer Distanz ein. Angelo gibt jene Rolle, die ihn vor einem typischen Sklavenschicksal bewahrt hat und doch zeit seines Lebens in Fesseln hält: Als Projektionsfigur verkörpert er perfekt die Sehnsüchte eines Publikums, das der Lust an der Exotik frönt.

Zieht mit perfekt einstudierten Erzählungen über seine afrikanische Herkunft ein höfisches Publikum in den Bann: Makita Samba als erwachsener Angelo.
Foto: Novotny Film

In seinem neuen Film Angelo erzählt der österreichische Regisseur Markus Schleinzer die Geschichte von Angelo Soliman, der im 18. Jahrhundert aus Afrika verschleppt wurde und es als Kammerdiener und Gesellschafter zu Berühmtheit brachte. Die Biografie, die in die Epoche der Aufklärung, der Vermessung der Welt, fällt, liefert nur die Eckpunkte, zwischen denen der Regisseur seinen klug gebauten Film aufspannt. In den Vordergrund rücken Sichtweisen, kulturelle Deutungsmuster und Schemata, die bis heute nachwirken.

Keine historische Simulation

Dass es ihm nicht darum geht, eine Epoche ihrem äußeren Anschein nach zu simulieren, verdeutlicht schon der Prolog: Nach ihrer Ankunft mit Booten wandert eine Karawane schwarzer Menschen durch die Dünen. In einer nüchtern wirkenden, von Neonlicht beschienenen Lagerhalle werden in Reih und Glied aufgestellte Buben in historischen Gewändern gewaschen und untersucht. Der ins Bild gerückte Anachronismus von Kleidung und Ausstattung deutet bereits an, dass es dem Film nicht ums Spezifische, sondern ums Exemplarische geht.

So werden auch die Personen in den darauffolgenden drei Kapiteln nicht näher bestimmt, nur als "Comtesse" (Alba Rohrwacher), als "Fürst" (Michael Rotschopf) oder als "Kaiser" (Lukas Miko) vorgestellt. Angelo, je nach Lebensalter von insgesamt fünf Darstellern verkörpert, bleibt indessen für seine Umgebung die längste Zeit ein Objekt, das umstandslos weitergereicht wird.

Trailer zu "Angelo".
Cine maldito

Die Geschichte von Angelos Unterwerfung beginnt mit der christlichen Taufe. Als ein erster von der Comtesse ausgesuchter Bub bald stirbt, rückt der nächste an seine Stelle. Angelo, der das Flötenspiel erlernt hat, ist für die Comtesse das Beispiel eines Erretteten, der von einem geborenen Sklaven in den Stand der Menschen aufgerückt ist. Ihren Freundinnen präsentiert sie Angelo wie eine Trophäe, um anzumerken: "Ich denke, es sind immer andere Menschen, die bestimmen, wo wir sind."

Tatsächlich wird Angelo in Schleinzers Film immer wieder um Sprache ringen. Auch dann noch, als er mit einer heimlichen Heirat tatsächlich den Sprung in eine selbstständige Existenz geschafft hat. Als seine Frau das Schweigen durchbrechen will, fallen Angelo nur jene Sätze ein, die er zuallererst mit der französischen Sprache erlernt hat: "Mein Name ist Angelo, mir geht es gut."

Wie sehr Angelo auch seine Gesten als "Hofmohr" eingeübt und verinnerlicht hat, zeigen konzise Einstellungen vor und nach den Auftritten am Hof. Angelo, der sein Kostüm abgelegt hat, spielt allein in der Dachkammer noch einmal jene Gesten durch, die ihn zum Publikumsliebling machen. Dieses Mal verraten sie Müdigkeit.

Visuelle Stenografie

Schleinzer gibt sich in solch perfekt orchestrierten Sequenzen als ein Meister visueller Stenografie zu erkennen. Statt auf Opulenz setzt der Regisseur von Michael (2011) auf Reduktion, auf den Einsatz minimaler Mittel, mit denen er es schafft, den Kern einer Einstellung herauszuschälen. Dass der Film nicht in Breitwand, sondern im klassischen 4:3-Format gedreht wurde, verstärkt den Guckkastencharakter des Films, die Objekthaftigkeit seiner Figuren. Der Erzählduktus bleibt den ganzen Film über nüchtern. Die inneren Konflikte seiner Hauptfigur rücken uns dadurch näher.

Schleinzers Angelo fehlt es nicht grundsätzlich an Sprachvermögen. Im Gegenteil. Allerdings bewegt er sich in einem Minenfeld von Erwartungen und Zuschreibungen. Am deutlichsten wird dies in den Begegnungen mit dem Kaiser, der Angelos Gesellschaft schätzt. Allerdings vor allem als Spiegelbild seiner eigenen Singularität. Als der Kaiser Angelo nach seinen Träumen fragt, hat er mit dessen Antwort wenig Freude: "Weil ich immer besonders sein muss, möchte ich kein Neger mehr sein."

Angelo entkommt diesem Zirkel nur vorübergehend. Sein späteres Leben als Freimaurer oder als Familienvater beschert ihm zumindest Momente einer selbstbestimmten, wenn auch entwurzelten Existenz. Nach dem Tod eine letzte Vereinnahmung: Angelos Leichnam wird präpariert und als Schauobjekt mit Kopfschmuck in einer Vitrine im Museum ausgestellt. Eine groteske Manifestation der Figur des "edlen Wilden" bekommt bis zu einem alles verzehrenden Feuer nochmals die Oberhand. Dass die dahinterstehenden Deutungsmuster auch unseren heutigen Blick auf das Fremde mitbestimmen, daran lässt Schleinzers Angelo keinen Zweifel. (Karl Gedlicka, 7.11.2018)