Dirigentin Marin Alsop am Mittwoch beim Besuch in Wien.

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Wien – Das ORF Radio-Symphonieorchester erhält im Oktober 2019 mit Marin Alsop (62) seine erste weibliche Chefdirigentin. Nun war die Amerikanerin zum Antrittsbesuch in Wien und kündigte an: "Wir wollen neue Welten von Zeitgenossenschaft entdecken".

Sie bekennt sich nicht nur zur zeitgenössischen Musik in all ihrer Breite, sondern auch zur Inklusion breiter Publikumsschichten. Gerade in der europäischen Tradition ist das durchaus ein Spagat, wie Alsop zugibt. "Es gibt da einen großen Unterschied zwischen der amerikanischen und der europäischen Zugangsweise zu zeitgenössischer Musik: Hier in Europa wird eine Musik, die für viele Menschen zugänglich ist, oftmals gering geschätzt."

Förderung gegen Spaltung

Das RSO wird unter Alsops Ägide die Zusammenarbeit mit Superar intensivieren, wo Kindern aus benachteiligten Verhältnissen eine kostenfreie musikalische Ausbildung ermöglicht wird. In Baltimore, einer von Gewalt geplagten Stadt an der amerikanischen Ostküste, hat Alsop bereits vor zehn Jahren die ähnlich orientierten OrchKids gegründet. "Eine der Überzeugungen, die ich von Leonard Bernstein übernommen habe, ist, dass jedes Kind den gleichen Zugang zu Musik verdient", sagt sie. Für sie selbst habe die Musik immer einen "sicheren Hafen" bedeutet – diese Möglichkeit wolle sie Kindern weitergeben. "Die Kinder kommen jeden Tag für drei Stunden zum Musizieren und dürfen ihre Emotionen in dieser Weise ausdrücken. Das hat eine große verändernde Kraft."

Das müsse auch die Antwort von Kulturschaffenden auf die zunehmende politische Spaltung der amerikanischen Gesellschaft sein. Die Kongresswahlen am Dienstag hätten "ein wenig Aufmunterung" gebracht, so Alsop. "Aber nicht so viel, wie gehofft. Mich überrascht überhaupt nichts mehr."

Frauenförderung

Auch junge Dirigentinnen "verschiedener Herkunft" fördere sie gezielt. "Frauen erhalten in diesem sehr konservativen Business oftmals nur eine einzige Chance. Das ist beim Dirigieren aber schwierig, weil man es ja allein nicht üben kann. Ich versuche, Gelegenheit zum Scheitern zu bieten", sagt sie. Denn dass es immer noch so wenige Frauen am Dirigentenpult gibt, sieht sie als Teil eines größeren Bildes. "Warum gibt es wenige Präsidentinnen? Das sind einfach Positionen, die eine lange Vorlaufzeit brauchen. Das dauert. Und es braucht Vorbilder." Am Dirigentenberuf selbst gebe es nämlich nichts, was ihn für Frauen speziell schwierig mache. "Der Stab wiegt etwa 25 Gramm. Das ist zu schaffen."

Alsops Vertrag, der mit Oktober 2019 beginnt, ist zunächst auf drei Jahre abgeschlossen, mit unmittelbarerer Option auf Verlängerung auf zunächst vier Jahre. (APA, red, 7.11.2018)