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Er wolle Mitarbeitern in "schwachen Phasen" Unterstützung finanzieren, sagt Waldemar Zeiler, CEO eines deutschen Start-ups.

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Die einen bekommen zusätzlich zu ihrem Gehalt einen Dienstwagen oder Leasingfahrräder, die anderen können gratis zum Betriebssport, naschen Äpfel und Bananen aus der Bio-Obstkiste oder erhalten Essensgutscheine. Auch in zahlreiche Weiterbildungen, betriebliche Altersvorsorge oder Unternehmenskindergärten investieren Unternehmen, um ihren Mitarbeitern bestmögliche Arbeitsbedingungen zu bieten.

Was allerdings selten zu den Goodies für Mitarbeiter zählt, sind Angebote zur psychologischen Hilfestellung wie etwa Therapiestunden. Das Berliner Start-up Einhorn, das vegane Kondome herstellt, hat bereits Aufmerksamkeit erlangt, als bekannt wurde, dass die Mitarbeiter ihr Gehalt und ihre Urlaubstage bestimmen dürfen. Nun schreibt Mitgründer Waldemar Zeiler in einem Blog auf der Jobplattform Xing, dass sein Start-up den Mitarbeitern Therapiestunden bezahlt – als Zusatzleistung.

Bloß nicht schämen

Der Hintergrund: Burnout und Depressionen zählen mittlerweile zu den häufigsten Volkskrankheiten. Häufig werden sie durch den Job verstärkt: Man hat Angst vor Gesichtsverlust, will sich und der Chefin Schwächen nicht eingestehen. Hinzu kommt, dass das Warten auf eine Therapiestunde mehrere Wochen dauern kann. "Wir erleben gerade einen Höchststand an Fehltagen durch psychische Erkrankungen in Deutschland. Und die Firmen? Die erleiden wiederum ganz reale, teilweise enorme Kosten dadurch", schreibt Zeiler.

Doch auf die Idee kamen Zeiler und sein Geschäftspartner Philip Siefer nicht nur deshalb. Als die beiden Einhorn gründeten, machten sie bei einem Gründercoach eine Paartherapie. "In der Gründerszene scheinen psychischer Druck und das Gefühl von Ausweglosigkeit besonders hoch zu sein. Sobald Wagniskapitalgeber an Bord kommen und damit auch unfassbare Summen Geld, wird der eigene Anspruch, immer funktionieren zu müssen, grenzenlos. Harmonie und Menschlichkeit stehen da oft hintenan", schreibt Zeiler. Da sei es kein Wunder, dass bereits im ersten Jahr mindestens einer von vier Gründern wegen Differenzen oder Angespanntheit die Firma verlasse.

Er selbst ging Ende des vergangenen Jahres auch allein zur Therapie, weil "mir alles über den Kopf wuchs und ich gar nicht mehr wusste, wohin mit mir". Zeiler schreibt dazu: "Ich glaube, dass wir Führungskräfte Vorbild für unsere Mitarbeiter sein sollten und zeigen müssen, dass man sich nicht zu schämen braucht, wenn man eine schwache Phase hat, aus der man mit externer Hilfe besser herauskommt."

Ein Viertel nahm Angebot an

Bevor die beiden Gründer ihren Mitarbeitern das Angebot machten, fragten sie mittels einer Instagram-Umfrage, wie viele Menschen in ihrer Community bezahlte Therapiestunden in Anspruch nehmen würden. Über 1.000 Personen beteiligten sich. Das Ergebnis: 97 Prozent stimmten für Therapiemöglichkeiten seitens des Arbeitgebers. Das dürfte überzeugend genug gewesen sein. Jeder Einhorn-Mitarbeiter durfte zwei bis drei therapeutische Leistungen in Anspruch nehmen. "Die Kosten haben wir übernommen, keiner musste sich dafür rechtfertigen oder ein schlechtes Gewissen haben. Natürlich wurde und werde ich nicht darüber informiert, wer genau wie oft und weshalb eine Therapie in Anspruch nimmt."

Bislang hat ein Viertel der Mitarbeiter (fünf von 20) jeweils zwei Sitzungen wahrgenommen. "Alle wünschen sich, dass dieses Angebot weiter bestehen bleibt, da es ihnen bei ihren beruflichen und auch privaten Fragestellungen sehr geholfen hatte", so Zeiler. Daher hat er beschlossen, dass künftig zehn Sitzungen pro Monat fest für das gesamte Team geblockt werden und jeder den Service spontan nutzen kann. (set, 8.11.2018)