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Die letzte Meile ist ein potenzielles Milliardengeschäft, das in den vergangenen Jahren mehrere interessante Beförderungskonzepte hervorgebracht hat. Nach Fahrradsharing-Diensten erobern nun stationslose E-Scooter internationale Großstädte. In Wien kann man sich etwa per Smartphone gleich bei drei großen Anbietern anmelden und gegen eine Leihgebühr sofort Fahrt aufnehmen. Einzige Voraussetzung: Man findet eines der hunderten zumeist im Zentrum verteilten Gefährte und ist volljährig. Bei einer Maximalgeschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde ist man dann in Windeseile von der U-Bahn-Station aus bei der Uni, dem gewünschten Lokal oder daheim angekommen.

Der Haken: Die Lenker sind Menschen. Menschen, die elektronisch beschleunigt zu Projektilen im Straßenverkehr werden. Die emotional befreit von Verkehrsregeln gegen Einbahnen flitzen, sowieso schon viel zu knapp bemessene Radwege belasten und deshalb gerne auf Gehsteige ausweichen. So war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Kind niedergefahren wurde oder ein E-Scooter-Lenker im Wienfluss landete. Die Gefahrenquelle Mensch gilt gewiss auch für jedes andere menschlich gesteuerte Vehikel, doch die simple Handhabung in Kombination mit gefälliger Übermotorisierung und laxer Regulierung ist geradezu eine Einladung für schwere Unfälle.

Sollten sich E-Scooter dauerhaft etablieren, ist zudem die Frage, wie sie langfristig das Stadt- und Gesellschaftsbild verändern wird. Das Obike-Fiasko mit letztlich tausenden ungenutzten Leihfahrrädern sollte ein Warnzeichen sein. Ein anderes die gesundheitlich und wirtschaftlich dramatische Überfettung der Bevölkerung. Die letzten paar hundert Meter mögen für Mobilitätsunternehmen ein Milliardengeschäft versprechen. Für viele Menschen sind sie aber auch die letzten Meter, auf denen sie sich überhaupt noch selbst bewegen. (Zsolt Wilhelm, 8.11.2018)